Der französische Filmstar Gerard Depardieu soll eine Schauspielschülerin vergewaltigt haben. Noch herrscht Skepsis. Aber so etwas würde ihm die sonst nachsichtige Öffentlichkeit nicht mehr verzeihen.

Paris - Er also auch. Gérard Depardieu steht seit Donnerstagabend ebenfalls als mutmaßlicher Vergewaltiger am Pranger. Eine 22-jährige Frau beschuldigt Frankreichs berühmtesten Schauspieler, sie am 7. und 13. August in seiner Pariser Wohnung missbraucht zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen aufgenommen. Der Anwalt des Beschuldigten bestreitet, dass der 69-Jährige sich irgendetwas habe zuschulden kommen lassen. Und die französische Öffentlichkeit fragt sich, ob das trotz zahlreicher Fehltritte hoch verehrte Enfant terrible des französischen Kinos tatsächlich zu sexueller Gewalt imstande sein sollte. Nach dem Theaterschauspieler Philippe Caubère und dem Filmproduzenten Luc Besson wäre Depardieu der dritte französische Protagonist der vom Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein losgetretenen #MeToo-Debatte.

 

Die Betroffenen haben einander gut gekannt. Die junge Frau, die zunächst an ihrem Wohnort nahe Aix-en-Provence Anzeige erstattete, bevor die am mutmaßlichen Tatort ansässige Pariser Staatsanwaltschaft den Fall an sich zog, ist die Tochter eines mit Depardieu befreundeten Mannes. Nachdem sie sich zunächst als Tänzerin und Pianistin versucht hatte, wandte sie sich dem Theater zu. Depardieu, der in mehr als 170 Filmen mitgewirkt hat und auch Bühnenerfahrung besitzt, stand ihr zur Seite.

Die Übergriffe sollen in Depardieus Pariser Wohnung passiert sein

Wie aus Ermittlungskreisen verlautet, fand sich die angehende Schauspielerin am 7. und 13. August zu informellen Theaterproben in einer der Pariser Wohnungen des Filmstars ein. Dort soll es zu den Übergriffen gekommen sein. Am 27. August erschien die junge Frau dann auf der Polizeiwache der südfranzösischen Dorfes Lambesc und erstattete Anzeige.

Fest steht, dass das Ansehen des bereits zu Lebzeiten als Filmlegende gehandelten Schauspielers Schaden genommen hat. Depardieus Anwalt, Hervé Temime, bedauert, dass die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten werde, die von seinem Mandanten samt und sonders als unwahr zurückgewiesenen Vorwürfe in der Öffentlichkeit breitgetreten würden. Depardieu werde mit der Justiz zusammenarbeiten und sämtliche Fragen beantworten. Der Schauspieler und Casting-Direktor Dominique Besnehard bezichtigt die Anzeige erstattende Frau indirekt der Lüge. „Wann werden Schauspieldebütantinnen aufhören, Anschuldigungen zu erheben, um bekannt zu werden?“ fragt er auf Facebook.

Letztlich dürfte Aussage gegen Aussage stehen

Nachdem die Meldung von den mutmaßlichen sexuellen Übergriffen des Stars in Frankreich zunächst als Eilmeldung aufgeploppt war und weithin Entsetzen ausgelöst hatte, ist die öffentliche Erregung am Tag danach bereits deutlich geringer. Abwarten ist nun die Devise. Abzuwarten gilt es zunächst die Vernehmung der von der Pariser Staatsanwaltschaft vorgeladenen Schauspielschülerin. Da es angeblich an DNA-Proben fehlt, mit denen sich sexuelle Beziehungen nachweisen ließen, dürfte letztlich Aussage gegen Aussage stehen.

Andere, vergleichsweise geringere Vorwürfe, hat Depardieu schadlos überstanden. Mal wurde ihm angekreidet, dass er in die Flugzeugkabine pinkelte. Dann wieder erregte Ärger, dass er betrunken Motorrad fuhr. Schon gar nicht gut kam an, dass der Filmstar die Steuerflucht ergriff, sich erst nach Belgien und dann nach Russland absetzte, wo er den Kremlherrscher Wladimir Putin als gütig pries, ihn mit dem Papst Johannes Paul II. auf eine Stufe stellte. Die Franzosen haben dem exzentrischen Star all dies verziehen. Sollte sich der Verdacht einer Vergewaltigung erhärten, wäre es mit der Nachsicht aber wohl vorbei.