Am 11. März wird zum zehnten Mal der Opfer des Amoklaufs von Winnenden und Wendlingen gedacht. Die Feier wird auch in diesem Jahr in der ruhigen Form vor sich gehen, wie sie sich in den vergangenen Jahren bewährt hat.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - In Winnenden gibt es seit dem 11. März 2009 ein Vorher und ein Nachher. Der Tag stellt eine Zäsur in der Stadtgeschichte dar, die schlimmer nicht sein könnte. An diesem Tag hat ein 17-Jähriger Ex-Schüler an der Albertville-Realschule im Winnender Bildungszentrum II zwölf Menschen ermordet und anschließend auf der Flucht einen Arbeiter im benachbarten Schlossgarten getötet. In Wendlingen, wo er nach einer zweistündigen Irrfahrt ankam, erschoss er in einem Autohaus einen Verkäufer und einen Kunden. Von der Polizei gestellt, richtete er sich schließlich auf einem Parkplatz selbst.

 

Das Gedenken ist vielen Menschen in Winnenden wichtig

„Nichts ist mehr so wie es war“, sagte der Bundespräsident Horst Köhler damals angesichts des Ausmaßes des Amoklaufs. In Winnenden haben sich die Betroffenen zusammen mit der Schule und der Stadt bald daran gemacht, eine angemessene Form des Gedenkens zu finden. In Sichtweite der Schule steht seit 2014 das Mahnmal des Künstlers Martin Schöneich, ein großer gebogener Metallring durchbrochen von einem Spalt. Der Ring steht für den Zusammenhalt, der Spalt für den Riss, der durch den Amoklauf entstand.

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An dem Mahnmal wird auch in diesem Jahr das Gedenken stattfinden, auf ruhige Art und so, wie der Schulleiter Sven Kubick sagt, dass niemand sich fürchten muss, bedrängt zu werden. Wie in den vergangenen Jahren werden um 9.33 Uhr wieder alle Kirchenglocken in Winnenden läuten. Das ist der Zeitpunkt, an dem bei der Polizei der erste Notruf aus der Schule einging. Dann werden die Namen der Opfer verlesen, für die 15 weiße Rosen auf den Gedenkring gestellt werden.

Das Gedenken ist vielen Winnendern wichtig. In einer Umfrage sprach sich die Mehrheit vor ein paar Jahren dafür aus, weiterhin am Jahrestag eine öffentliche Gedenkstunde zu halten. Für die nahen Angehörigen der Getöteten und die ehemaligen Schüler ist zu diesem Zeitpunkt die Schule für die Öffentlichkeit tabu. Die Schulgemeinschaft bleibt strikt unter sich. Ein Blick in den Schulalltag zeigt, mit wie viel Fingerspitzengefühl dort mit dem Thema umgegangen wird.

Zehn Jahre nach dem Amoklauf: Spagat zwischen Gedenken und Schulbetrieb

In den Klassenräumen, die zu Tatorten geworden waren, wird heute nicht mehr unterrichtet. Einer ist zu einem Gedenkraum umgestaltet worden, einer ist eine Bibliothek und einer der Raum der Schulfirma Klamottenkiste. „Aus meiner Sicht haben wir aus der Amoktat einen Auftrag, nämlich den, dass wir sorgsam miteinander umgehen“, sagt der Lehrer Werner Klingel.

Die Albertville-Realschule war und ist eine sehr beliebte Schule in Winnenden und den umliegenden Ortschaften, aus denen Schüler weiterführende Schulen in Winnenden besuchen. Der Spagat zwischen dem Gedenken und dem normalen Schulbetrieb, der dort natürlich auch herrschen soll, ist gelungen. Für Sven Kubick, seit 2010 Schulleiter der Albertville-Realschule, ist das eine anspruchsvolle Aufgabe gewesen und ist sie noch immer.

Wie sehr das Thema in Winnenden nach wie vor präsent ist, zeigte ein Vortrag der Kriminalistin und Amokforscherin Britta Bannenberg vor wenigen Wochen. In der Aula der Albertville-Realschule war kein Platz mehr frei, als die Wissenschaftlerin über die Forschungsergebnisse berichtete, die über die Jahre zu dem jugendlichen Täter akribisch zusammengetragen worden sind. Ihr eindeutiges Fazit: „Die Opfer trifft keinerlei Schuld.“

Die Vorstellung, der Täter habe aus Rache für erlittenes Mobbing an der Schule gehandelt, sei falsch. Ursache für den Amoklauf sei einzig die schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung des 17-Jährigen gewesen, dessen Gedanken sich offenbar bereits Jahre zuvor um die Tat drehten.