Eigentlich sind Quiz-Shows ja Steinzeit-Fernsehen. Aber das ewig junge Genre erlebt eine Renaissance nach der anderen. „Wer wird Millionär?“ mit Günther Jauch etwa blickt auf zwanzig erfolgreiche Jahre zurück.

Stuttgart - Als Günther Jauch kurz nach dem Start von „Wer wird Millionär??“ am 3. September 1999 erklären sollte, warum die Sendung so beliebt ist, nannte er unter anderem die „Rückbesinnung auf das Einfache, auf das Klare“. Denn optisch sei das statische Format – zwei Leute auf zwei Stühlen – schließlich „Steinzeit-Fernsehen“. Daran hat sich bis heute so wenig geändert wie am Erfolg der Show. Seinen eigenen Anteil hat Jauch damals heruntergespielt: Das Konzept sei so gut, „da könnte man auch einen Besenstiel als Moderator hinsetzen.“

 

Einer fragt, die anderen antworten

Das ist natürlich maßlos untertrieben; ohne Jauch wäre das Format vermutlich längst abgesetzt. Aber auch die Kollegen Alexander Bommes, Kai Pflaume, Jörg Pilawa und Johannes B. Kerner haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass das ewig junge Quiz-Genre eine Renaissance nach der anderen erlebt. Die Grundformen, erläutert der Marburger Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger, „sind seit der Erfindung dieser Programmform vor neunzig Jahren fürs amerikanische Radio unverändert: Einer stellt Fragen, andere antworten.“ Die große Stärke des Genres sei seine Anpassungsfähigkeit: „Das Basiskonzept ist universell und unkaputtbar.“

Deshalb lassen sich die Formate auch so leicht adaptieren. „Wer wird Millionär?“, ursprünglich für den britischen Privatsender ITV 1 entwickelt, ist in über hundert Länder verkauft worden. Das von Bommes moderierte „Gefragt – gejagt“ stammt ebenfalls aus Großbritannien. „Quizduell“ mit Jörg Pilawa basiert auf der gleichnamigen App aus Schweden.

Jeder kann mitraten

Quizsender Nummer eins ist derzeit die ARD. In „Gefragt – Gejagt“ (werktags um 18.00 Uhr) tritt ein Kandidatenteam gegen einen Profi-Quizspieler (den Jäger) an. Die Rateshow erreichte zuletzt im Schnitt gut 2,2 Millionen Zuschauer sowie einen Marktanteil von fast 15 Prozent; der Spitzenwert lag bei 17,8 Prozent. Im Vergleich zu früheren Jahren, als die ARD am Vorabend auf keinen grünen Zweig kam, sind das Traumzahlen. Dritte Erfolgsshow ist „Wer weiß denn so was?“ (seit 2015, mit Kai Pflaume). In jeder Folge gibt es zwei Prominenten-Teams aus je zwei Spielern, angeführt von Bernhard Hoëcker und Elton. Bei „Da kommst Du nie drauf!“ (seit 2017 im ZDF) wirken ebenfalls Prominente mit, allerdings in stetigem Wechsel. Das Format mit Johannes B. Kerner ist ein bisschen durchs Programm gewandert, läuft derzeit samstags um 19.25 Uhr und hat mit der aktuellen Staffel im Schnitt gut 2,2 Millionen Zuschauer erreicht (Marktanteil: knapp 12 Prozent).

Hallenberger bezeichnet das Genre als „erste und bis heute auch relativ einzigartige Form von interaktivem Fernsehen: Auf dem Bildschirm werden Fragen gestellt, und zuhause kann jeder mitraten. Das bringt einem zwar keinen materiellen Gewinn, aber man erfährt sich selbst als kompetent.“ Womöglich sei man sogar schlauer als die Kandidaten, was das Kompetenzgefühl noch mal steigere, selbst wenn damit ein gewisser Selbstbetrug verbunden ist: „weil man im heimischen Wohnzimmer natürlich nicht im Scheinwerferlicht steht, weil kein Moderator auf die Antwort wartet und weil man nicht befürchten muss, ausgelacht zu werden, wenn man komplett daneben liegt.“

Nachbarn, die man gerne hätte

Als weiteren wichtigen Punkt betrachtet der Marburger Wissenschaftler die Ergebnisspannung. „Beim Quiz weiß man nicht, wie’s ausgeht.“ Das rückt diese Programmform in die Nähe von Sportveranstaltungen. Hier wie dort müssen die Moderatoren in der Lage sein, auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Interessanterweise haben Sportmoderatoren im Verlauf ihrer Karriere immer auch Quizsendungen moderiert (oder umgekehrt): in grauer Vorzeit Heinz Maegerlein und Robert Lembke, später Wim Thoelke, heute zum Beispiel Jauch, Bommes, Kerner und Matthias Opdenhövel. Beim Quiz ist die Rolle des Moderators laut Hallenberger allerdings wichtiger, denn er diene „als parasoziale Kontaktperson, zu der die Zuschauer eine Art Beziehung aufbauen ... Deshalb ist es wichtig, dass die Sendungen von Menschen präsentiert werden, die man gern als Nachbarn hätte.“

Diese Nachbarn wären allerdings in erster Linie Männer. Kürzlich hat eine Studie der Universität Rostock („Ausgeblendet“) bemängelt, dass Unterhaltungssendungen überwiegend von Männern moderiert werden, auch Quizshows. Hallenberger erklärt die Diskrepanz bei der Geschlechterverteilung mit typischen Rollenklischees, bei denen „Autorität klassisch männlich konnotiert“ sei: der Lehrer, der Professor, der Experte.

Jubiläumssendungen zu „Wer wird Millionär?“

RTL wird das Jubiläum von „Wer wird Millionär?“ am 2. September 2019 mit einer fast dreistündigen Sondersendung feiern, deren Publikum ganz aus ehemaligen Teilnehmern besteht, darunter auch einige Prominente. Die Fragen dieses Abends sind im Verlauf der letzten 20 Jahre allesamt schon mal gestellt worden.

Am 6. September 2019 folgt ab 0.30 Uhr eine siebenstündige „Nacht der Millionäre“ mit Wiederholungen jener Folgen, in denen mit Eckardt Freise (2000) und Leon Windscheidt (2015) der erste sowie der bislang letzte Millionär gekürt wurden.