Beim Corona-Management im österreichischen Skiort sind laut einer Expertenkommission viele Fehler passiert. Das Lokal Kitzloch hätte schneller geschlossen, der Skibusbetrieb eingestellt werden müssen.

Innsbruck - Sieben Monate nach dem legendären TV-Auftritt des Tiroler Gesundheitslandesrates Bernhard Tilg hat eine Expertenkommission ihren Bericht vorgelegt. Ihre Aufgabe war es, zu untersuchen, ob die Behörden in Tirol zweckmäßig und angemessen auf den Ausbruch der Pandemie in Ischgl reagiert haben.

 

Tilg hatte Mitte März wiederholt behauptet, dass die Tiroler Behörden „alles richtig“ gemacht hätten. Selbstkritik, Einsicht fehlte dem Politiker der Kanzlerpartei ÖVP damals. Für Aufruhr hatten auch die Ansichten von Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber gesorgt, der meinte, dass eine Ansteckung an der Bar in einem Après-Ski-Lokal „unwahrscheinlich“ sei.

Das Pandemiemanagement ist gescheitert

Die Kommission konzentrierte sich zunächst auf Fehler in der Bezirksverwaltungsbehörde Landeck, zu der Ischgl gehört. Dort sei es „zu folgenschweren Fehleinschätzungen“ gekommen. Es sei zwar nachvollziehbar gewesen, dass man nicht sofort alle Après-Ski-Lokale geschlossen habe, als Urlauber nach ihrer Rückkehr nach Island positiv getestet wurden – allerdings nur bis zur ersten positiven Testung eines Mitarbeiters des „Kitzloch“ am 7. März. Dann scheiterte das Pandemiemanagement in Tirol. Auch angesichts der rasanten Ausbreitung des Virus wäre noch am Tag darauf, am 8. März „mit Schließung des Lokals ‚Kitzloch’ in Ischgl vorzugehen gewesen.“ Spätestens am 9. März hätten alle andere Lokale geschlossen und der Seilbahn- und Skibusbetrieb eingestellt werden müssen.

Die Isolierung hatte schwerwiegende Konsequenzen

Wie bekannt, geschah dies alles nicht und dadurch wurden Hunderte Touristen einem Risiko ausgesetzt. Besonders katastrophal war, dass es zu keiner „gestaffelten Abreise“ kam. In diesem Punkt wird auch Bundeskanzler Sebastian Kurz in die Mangel genommen. Dieser habe nämlich am 13. März „ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit und überraschend“ eine Quarantäne über das Paznauntal und St. Anton angekündigt. „Die dadurch bewirkte unkontrollierte Abreise hat eine sinnvolle epidemiologische Kontrolle behindert“, so der Bericht. Die angekündigte Isolierung habe in der Praxis schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Die Urlauber verließen ungeordnet und in Panik, manche zu Fuß, die betroffenen Regionen. Manche quartierten sich in anderen Orten ein und trugen das Virus weiter. Die Kommission weist darauf hin, dass man die Urlauber darauf aufmerksam hätte machen müssen, dass die Ausreise noch bis zum 15. März möglich sein würde.

„Die richtigen Touristen“ nach Ischgl holen

Die Verwaltung in Landeck hätte die Evakuierung bereits ab dem 9. März organisieren und an die Touristen Formulare für Kontaktdaten verteilen müssen. Das Gremium kommt zum Schluss, dass es bis zum 9. März keine „zielgerichtete Strategie der Pandemiebekämpfung“ gegeben habe und das Land Tirol nicht auf die Experten zurückgegriffen habe. Die Öffentlichkeitsarbeit der Landesverwaltung scheint desaströs gewesen zu sein. Man hätte nicht die Wahrheit gesagt. Aber auch das Gesundheitsministerium in Wien wird nicht verschont, unter anderem weil der Pandemieplan nicht frühzeitig veröffentlicht wurde. Das Pandemiegesetz aus dem Jahr 1950 hätte zudem an die heutigen Formen der Mobilität angepasst werden müssen, heißt es. Die Behörden wussten ganz einfach nicht, wie sie in der Praxis vorgehen sollten. Deshalb empfiehlt die Kommission eine rasche Verabschiedung eines modernen Epidemiegesetzes. Und für die nächste Saison gibt es ein paar Tipps von den Experten. Man solle künftig die „richtigen Touristen“ nach Ischgl holen. „Ziel muss für die Dauer der Infektionsgefahr das Fernhalten von Gästen sein, die überwiegend wegen Alkoholkonsums und Après-Ski-Feiern anreisen.“