Florian Toncar bricht mit so mancher unter Wahlkämpfern üblichen Gepflogenheit. Polit-PR-Berater würden ihm womöglich Anfängerfehler vorwerfen, aber der Liberale ist alles andere als ein Anfänger.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Die politische Konkurrenz lächelt ihm von jedem Baum entgegen. Marc Biadacz und Jasmina Hostert haben längst ihre Fotos plakatieren lassen, die Kandidaten von CDU und SPD. „Ich finde das albern“, sagt Florian Toncar, der Bundestagskandidat der FDP. Gemeint ist die Gewohnheit, in der Minute mit Plakaten und Kabelbindern loszuhetzen, in der die Frist beginnt, während der Wahlplakate hängen dürfen. Seine hängen Tage später noch nicht. Eigentlich hatte Toncar als Treffpunkt ein Café an den Böblinger Seen vorgeschlagen. Dort sitzt er gern mit einer Tasse zwischen sich und dem Wasser, aber an diesem Vormittag hat der Wirt noch nicht geöffnet, sondern fegt die Terrasse.

 

„Ich finde das albern“ sagt Toncar häufiger. Zum Beispiel über die Politikergewohnheit, sich auch dann zu Wort zu melden, wenn alles gesagt ist und auch von jedem. „Leuten Zeit zu klauen, ist nicht meine Art“, sagt er. Vor ein paar Wochen hat er auf einer Diskussion mit der politischen Konkurrenz zur Flüchtlingspolitik tatsächlich nur noch gesagt, es sei alles gesagt. Er hat nachdenklich gewirkt und erzählt, das Thema wühle in seinem Inneren, weil auch die FDP keine einfache Lösung im Angebot hat zwischen den Eckpunkten Menschlichkeit und Grenze des Machbaren. Dass er aus einer Familie Vertriebener stammt, hat er verschwiegen.

Mit 26 Jahren wurde Toncar erstmals in den Bundestag gewähl

So manche seiner Eigenheiten würden Polit-PR-Berater womöglich als Anfängerfehler abtun. Nur ist Toncar kein Anfänger. Schon 2005 wurde er in den Bundestag gewählt. Im Internet sind aus dieser Zeit noch Bilder von ihm zu finden. Er war damals so jung, wie er darauf aussieht: 26 Jahre. Er blieb im Bundestag, bis die FDP bei der Wahl 2013 rausflog, wurde zum Fraktionssprecher für Menschenrechte bestimmt und zum Vorsitzenden des Finanzmarktgremiums des Gesamtparlaments. Nebenher schrieb er seine Doktorarbeit in Rechtswissenschaften.

Inzwischen ist er 37 Jahre alt und hat abseits der Politik Karriere gemacht. Er berät für eine international renommierte Kanzlei vorwiegend Unternehmen der Finanzbranche. Bei der Frage, warum er sich den Politikbetrieb noch einmal antun will, „zucke ich etwas zusammen“, sagt Toncar. „Das suggeriert: Ein Amt im Bundestag kann man gegen ein gewisses Gehalt aufgeben.“ Beispiele eben dafür gibt es reichlich, aber zumindest er will das nicht. Es mag daran liegen, dass er schon als Zwölfjähriger erstmals demonstrieren ging und als Jugendlicher in Lichterketten stand. Mitglied der FDP war er schon als Schüler.

Toncar sagt auch oft: „Das ärgert mich.“ Die Diesel-Debatte zum Beispiel oder genauer, wie sie geführt wird. „Mich ärgert der spielerische Umgang mit einer Leitindustrie in Deutschland“, sagt er. „Das ist kein Spiel.“ Politiker könnten selbstverständlich Umweltziele vorgeben, aber nicht Ingenieuren erklären, mit welcher Technik diese Ziele zu erreichen seien. „Wer nur mit Verboten hantiert, kann sich im Ruhrpott umschauen, wie eine Region aussieht, die abgehängt wird“, sagt er.

Der Kandidat trägt zu Kindergeschrei einen Fußball umher

Bei einem Wahlkampftermin in Sindelfingen trägt Toncar einen Fußball umher. Kindergeschrei prägt die Geräuschkulisse, die Jugendreferentin Pia Lay erklärt ihm, wie in den Ferien im und um das Haus Sommerhof bis zu 200 Kinder betreut werden. Das Haus ist ein Restaurant. Die Freizeit ist gefährdet, weil die Pächterfamilie den Vertrag nicht verlängert. Dies ist ein rein kommunalpolitisches Thema und Wähler, die Toncar werben könnte, sind nicht in Hörweite. Was ihm bleibt, ist nur das Foto, wie er den Ball verschenkt, als Eigenwerbung auf seiner Internetseite.

Abseits von Wahlkämpfen bewegt Toncar so ziemlich das Gegenteil dieses Termins: Weltpolitik. Als Abgeordneter hatte er versucht, das deutsch-israelische Verhältnis zu hegen. Oder wieder etwas, was ihn ärgert: Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. „Ich gebe zu, das ist eine sehr hohe Ebene, und ich fürchte, Herr Draghi ist nicht zu überzeugen“, sagt er, „aber um nur zuzusehen, ist das Risiko zu hoch.“ Mario Draghi ist der Bankpräsident. Ginge es nach Toncar, müsste die Bundesregierung ihn vor dem Europäischen Gerichtshof wegen illegaler Staatsfinanzierung verklagen. Was für den Liberalen nur ein Vorspiel für künftigen Streit wäre. „Die große Debatte über die Zukunft der EU wird kommen, schon 2018“, sagt er. „Die ist nur über die Wahl verschoben.“

Wenn es so kommt, wird er wohl mit am Debattiertisch sitzen. In den Umfragen liegt die FDP bei mehr als acht Prozent, und bei seinem persönlichen Ziel ist Toncar unbescheiden: Er erwartet eines der landesweit besten Ergebnisse der Liberalen.