Einst hat er in der Sauna die Rücken von Gangstern geschrubbt, dann schaffte er es als Komiker ins japanische Fernsehen. Jetzt erntet Takeshi Kitano endlich die Lorbeeren als bester Regisseur seines Landes.

Tokio - Ein herzliches Dankeschön klingt anders. Als Takeshi Kitano, in Europa bekannt für die Spielshow „Takeshi’s Castle“, vor ein paar Tagen in Tokio den ersten Samurai Award für seine Leistungen als Regisseur erhielt, teilte er erst einmal kräftig Kritik gegenüber der eigenen Branche aus: So würden etwa für den Oscar für den besten ausländischen Film immer nur solche Filme vorgeschlagen, die von Japans größten vier Studios produziert wurden. Seine eigenen Filme – ausgezeichnet bei unzähligen anderen Festivals weltweit, darunter Venedig und Moskau – seien noch nie dafür nominiert worden. „Ich habe Preise als Komiker bekommen, und ich habe eine Polizeiakte. Mein Leben ist ein Schmutzfleck auf der Geschichte des japanischen Films“, scherzte er. Trotzdem sagte Kitano, er fühle sich mit dem Samurai Award sehr geehrt.

 

Bei einer Veranstaltung mit jungen japanischen Filmemachern am Rande des Filmfestivals von Tokio machte das Enfant terrible der japanischen Film- und Fernsehbranche seinem Ruf alle Ehre. Schon zum Auftakt der Veranstaltung kultivierte der 67-Jährige sein Image als Filmemacher mit Kontakten zur japanischen Unterwelt, die in vielen seiner Filme wie „Violent Cop“ und „Hana-Bi“ eine Rolle spielen. „Ich habe früher in einem Café und in einer Sauna gejobbt, wo ich die Rücken von Yakuza-Gangstern geschrubbt habe.“ Es seien fünf harte Jahre gewesen, bevor er von seiner Arbeit als Komiker habe leben können. Doch schließlich schaffte er es, in den Siebzigern zunächst als Teil eines Duos, sich einen Namen zu machen. Aus dieser Zeit stammt sein Künstlername als Komiker: „Beat Takeshi“. Das ist auch der Name, unter dem er dem japanischen Publikum bekannt ist, das ihn vor allem aus dem Fernsehen kennt.

Takeshi auf allen Kanälen

Bald wurde Kitano zu einer festen Größe unter den japanischen Komikern, zum einen durch seine Sozialkritik, zum anderen aber auch durch seine schnodderige und schonungslose Art, diese vorzutragen. „Als ich in den frühen Achtzigern in Tokio war und durch die Fernsehkanäle zappte, stieß ich immer auf ein Programm, in dem Takeshi auftrat“, erinnerte sich der Filmemacher und Experte für asiatische Filme, Tony Rayns, der ebenfalls zur Diskussionsrunde nach Tokio geladen war. Das ist auch noch heute so. Takeshi Kitano hat seine eigene wöchentliche Sendung und tritt häufig in anderen als Gast auf.

Provokationen scheint er geradezu zu suchen. Als ihn ein Zuschauer fragte, ob ein Regisseur dafür verantwortlich sei, die Interpretation zu seinen eigenen Filmen zu liefern, sagte Kitano: „Wenn ein Film so vom Zuschauer gesehen werden muss, wie ich ihn sehe, dann wäre das ein Nazifilm.“ Mit anderen Worten: Kitano lehnt es ab, dem Zuschauer Erklärungsansätze zu liefern oder gar Vorschriften zu machen. Manchmal fragen Rezensenten ihn auch nach der Bedeutung seiner Filme. „Wenn ich das mit Worten sagen könnte, würde ich keinen Film machen!“, entgegnet Kitano dann. Man müsse auch nicht immer alles erklären, fügte er hinzu. Manchmal gebe es schlicht keinen Grund für Entscheidungen beim Filmemachen. „Zeigt eure Originalität“, fordert er die Nachwuchsfilmemacher auf. „Macht einfach, was ihr wollt, und wenn ihr gut seid, wird die Welt eure Einzigartigkeit erkennen.“

Schwarze Komödien mit Hang zum Nihilismus

Seine ihm eigene Denkweise bewies Kitano, als es darum ging, wie er heutzutage einen Film mit einem geringen Budget verfilmen würde. Junge Filmemacher müssten zu einem gewissen Grad die Gesellschaft schockieren, sagte Kitano. Wenn man ihn zum Beispiel bitten würde, einen Film über Frauen zu machen, die von japanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg systematisch in Bordelle gezwungen wurden, sagte Kitano, er würde die Idee umdrehen. Aus den „Trostfrauen“, wie sie beschönigend genannt werden, würden bei ihm „Trostmänner“.

Animes? Findet er doof

Kitano ist bekannt für seine schwarzen Komödien, die manchmal geradezu nihilistische Züge tragen. Häufig spielt er selbst die Hauptrolle. Christian Jeune, der seit mehr als 20 Jahren einer der Verantwortlichen beim Festival in Cannes ist, sagte bei der gleichen Veranstaltung über Kitanos Filme, dass sie bei ihm häufig ein Gefühl der Traurigkeit und Nostalgie hinterließen.

Am liebsten porträtiere er Menschen, sagte Takeshi Kitano. Auf die Frage, wie er dazu stehe, dass immer häufiger Filme basierend auf Mangas, also japanischen Comics, gedreht würden, sagte er, dass die Studios damit nur Geld verdienen wollten und sich nicht getrauten, unbekannten Autoren eine Chance zu geben. „Ich mag keine Animes“, schob er geradeheraus nach. „Hayao Miyazaki mag ich auch überhaupt nicht“. Miyazaki ist Japans bekanntester Anime-Regisseur. Er hatte im Jahr 2002 mit dem Film „Chihiros Reise ins Zauberland“ einen Goldenen Bären auf der Berlinale gewonnen.

Jungen Filmemachern gibt Takeshi Kitano, der Unangepasste, den Rat, sich nicht daran zu orientieren, was sich verkaufe, sondern was sie wirklich machen wollten. Oft werde er gefragt, was denn sein Lieblingsfilm sei. Darauf sage er immer: „Das ist mein nächster Film!“