Für seine Ideale stellt sich der WDR-Moderator Georg Restle ins Visier vieler Gegner. Selbst Morddrohungen muss der „Monitor“-Chef aushalten.

Stuttgart - Ein paar Treppen noch aufwärts, wo der Lift schon nicht mehr hinreicht und selbst das heillos zersiedelte Köln beinahe so was wie Perspektive entfaltet – den spektakulären Ausblick vom Dach seines Arbeitsplatzes wollte Georg Restle am Ende eines langen Gesprächs über die Risiken und Nebenwirkungen des nachhaltigen Journalismus unbedingt noch präsentieren.

 

Breitseiten feuern

Hier oben atmet er durch, hier tankt er auf, hier spürt er Weite und entwickelt dabei fern seiner schwäbischen Heimat fast ein Gefühl von Lokalpatriotismus. „Sehen Sie“, ruft der gebürtige Esslinger durch den böigen Wind und umrundet die WDR-Zentrale auf Kirchturmniveau fast im Laufschritt: Eifel, Dom, Stadion. Viel Stein, Verkehr, Historie, von hier oben hat der Reporter alles im Blick. „Toll, oder?“

Wer einen der streitbarsten, wenn nicht gar den streitbarsten Fernsehmoderator dieser zerstrittenen Zeit dort trifft, wo er mit großer Hingabe in aller Ruhe Breitseiten haltungsstarker Beiträge ins Medienland feuert, käme kaum auf die Idee, dass Restle der Job zuweilen Sorge bereitet. Tut er ja auch selten. Trotz allem.

Strafanzeige gegen unbekannt

Georg Restle leitet seit sieben Jahren das kampflustige Politmagazin „Monitor“ im Ersten. Mit seiner klaren Kante gegen Rechtspopulismus und Sittenverrohung, Hasskommentare und Hasskommentierer stellt er sich ähnlich offen ins Visier vieler Feinde wie bei seiner Führung aufs Kölner Funkhaus. Seit er aber die AfD in den „Tagesthemen“ Mitte Juli als parlamentarischen Arm der Identitären Bewegung enttarnt und personelle Verstrickungen offengelegt hat, sind aus wütenden Verbalattacken strafbare geworden, aus wirrem Gezeter gingen konkrete Morddrohungen hervor.

Eine davon veranlasste den WDR zu einer Strafanzeige gegen unbekannt. Aber veranlassen sie den Adressaten dieses neuerlichen Tabubruchs wenige Wochen nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auch zu Besorgnis, wenn nicht gar Angst?

Risiken minimieren

Nein, beteuert Restle bei einem Interview, das im Fachmagazin „Journalist“ erscheint: „Ängstlicher bin ich dadurch nicht geworden.“ Vorsichtiger dagegen schon. Für einen politischen Journalisten, fügt er mit etwas Restdialekt in der sanften, aber resoluten Fernsehstimme hinzu, gehöre es zwar ohnehin dazu, sich jede Umgebung genau anzuschauen – „auch um mögliche Risiken minimieren zu können“.

Doch wenn sich bei öffentlichen Auftritten eine unbekannte Person nähert, achtet der Familienvater nun ein bisschen mehr als früher darauf, wie sie sich verhält. Da es andererseits auch in diesem Früher Anfeindungen jeder politischen Schattierung – nur oft auf Briefpapier mit akkuratem Absender – gab, habe sich für ihn gar nicht so viel geändert.

Immer weitermachen

Damit will Restle nichts beschönigen, im Gegenteil. Attacken auf den Bürgermeister von Altena oder dessen Kölner Amtskollegin Henriette Reker waren schließlich Drohungen des gleichen Absenders vorausgegangen. Die Gefährdungslage sei größer geworden. Es gebe daher auch für ein potenzielles Ziel wie ihn einige Sicherheitsvorkehrungen mehr. „Aber Einschüchterungsversuche beeindrucken mich relativ wenig.“ Und das hat viel mit seinem Naturell zu tun, noch mehr jedoch mit Erfahrung.

Wer wie das WDR-Gewächs nicht nur zwei Jahre als ARD-Korrespondent in Moskau tätig war, sondern zehnmal so lange beim „Monitor“, habe diesbezüglich „eben ein dickes Fell“. Wie dick es beim Mittfünfziger mit Jungengesicht und Jura-Examen wirklich ist, merkt man daran, dass er einfach weiter macht, immer weiter.

Werteorientierter Journalismus

Etwa mit einem Bericht vom Düsseldorfer Rheinbad, wo die AfD „angesichts angeblich marodierender Banden nordafrikanischer Migranten jenseits aller Fakten quasi den nationalen Notstand ausgerufen hat“. Was in Restles Augen noch weit schlimmer ist. Sie hat nicht nur auf dem Boulevard mediale Unterstützung erhalten. „Wir dürfen nicht über jedes Stöckchen springen“, lautet sein Appell an die Kollegen von RTL bis „Bild“, aber auch an sich selbst und sein Ideal vom „werteorientierten Journalismus“, mit dem er sich gegen die „falsch verstandene Vorstellung von Neutralität und Ausgewogenheit“ wehrt.

Weil es aus Restles Sicht falsch sei, „extremistische oder rassistische Äußerungen als Ausdruck von Meinungsvielfalt wahrzunehmen“, nimmt er alle in die Pflicht: Zivilgesellschaft, Journalismus, Politik, Letztere vor allem. Angesichts der Novellierungen vieler Polizeigesetze, „waren die vergangenen Jahre gesetzgeberisch ja nicht gerade von einer Stärkung der Pressefreiheit geprägt“. Ob im Anzug vor der Kamera oder mit Turnschuhen beim Gespräch: Georg Restle ist eigentlich immer in Kampfbereitschaft. Viel Feind, viel Pluralismus, viel Demokratie.