Vor 250 Jahren hat ein Feuer die Stadt nahezu komplett zerstört – aber das interessiert zum Ärger des Heimatforschers Christian Schweizer zu wenige Bürger. Er hat jetzt uralte Akten gewälzt und ist auf Ungereimtheiten gestoßen. Eine Posse.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Murrhardt - Der große Stadtbrand hat Murrhardt vor 250 Jahren nahezu vollständig zerstört. Es war die zweite große Katastrophe in der Geschichte der Siedlung - nach der Zerstörung des Kastells um das Jahr 260 nach Christus.

 

Einer, der die Murrhardter Lokalhistorie aus dem Effeff kennt, ist Christian Schweizer von dem privaten Carl-Schweizer-Museum. Aber er ist nicht so gut zu sprechen auf die Stadtverwaltung mit dem Bürgermeister Armin Mößner an der Spitze. Die Stadt, sagt Schweizer, wisse nicht um ihre großen Jubiläen und verbummele diese mitunter.

„Am 24. August ist gar nix passiert.“

Ein Auslöser für Schweizers Ärger ist offensichtlich: Bis vor zwei Tagen ist auf der Internetseite der Stadt Murrhardt der 24. Oktober 1765 als Tag des verheerenden Feuers genannt worden. Tatsächlich ist die Stadt aber zwei Monate früher niedergebrannt, am 24. August 1765. Erst kürzlich wurde das Datum korrigiert, offenbar auf Schweizers Intervention – aber zu spät, um der 250. Wiederkehr des Feuers in diesem Sommer zu gedenken. Das, sagt der Bürgermeister, sei ohnehin nicht geplant gewesen – was Schweizer wiederum ärgert: „Am 24. August 2015 ist gar nix passiert.“

Das große Feuer hat am denkwürdigen 24. August anno 1765 heftig gewütet. In einer Abhandlung, die auf der städtischen Internetseite nachzulesen ist, heißt es, die meisten Murrhardter Bürger hätten sich damals mit hochbeladenen Wagen und viel Gepäck auf den Weg zum Bartholomäusmarkt nach Ilsfeld aufgemacht. Nur ein paar wenige Alte, Kranke und Kinder seien in Murrhardt geblieben. Die Ernte sei eingebracht gewesen, die Murrhardter hätten auf gute Geschäfte gehofft. Doch dann ereignete sich daheim das furchtbare Unglück.

Ein rauchendes, glühendes Trümmerfeld

Im Haus des Schuhmachers Pfitzenmaier, in einer Gasse, die heute passend Brandgasse heißt, nahm das Schicksal seinen Lauf. Spielende Kinder hätten gezündelt, blitzschnell habe sich das Feuer ausgebreitet. „Voller Angst versteckten sich die Kinder im Haus und kamen dort auch um“, heißt es in der blumigen Erzählung weiter. Rasend schnell seien zunächst die Gebäude in der einen Gasse ein Raub der Flammen geworden, innerhalb weniger Stunden war die Innenstadt fast komplett zerstört.

Nur das Kloster, die Vorstadt und einige außerhalb stehende Häuser blieben von der Brandkatastrophe verschont. Die Kunde vom Stadtbrand habe die Murrhardter Bürger auf dem Markt in Ilsfeld erreicht. Als sie zurück kamen nach Murrhardt, hätten sie ein rauchendes, glühendes Trümmerfeld vorgefunden.

„Dann warten wir mit dem Gedenken noch mal 250 Jahre.“

Der Wiederaufbau der Stadt dauerte Jahrzehnte. Die Stadtvorderen lehnten die Planungen von Herzog Karl Eugen ab, der aus Murrhardt eine barocke Stadt mit Schachbrettgrundriss hatte machen wollte. Lieber ließen die Murrhardter das alte mittelalterliche Stadtbild mit den engen Gassen und viel Fachwerk wieder auferstehen.

Der Heimathistoriker Schweizer wirft den heutigen Stadtverantwortlichen Ignoranz vor und sagt mit Blick auf das falsche angegebene Datum des Stadtbrands: „Dann warten wir mit dem Gedenken halt noch mal 250 Jahre.“ 2265 jährt sich die Katastrophe zum 500. Mal. Der Bürgermeister Mößner behauptet, Schweizer habe den Text über den Stadtbrand inklusive des falschen Datums vor ein paar Jahren gegengelesen – was dieser jetzt vehement bestreitet.

Öffentlicher Vortrag zum Thema im nächsten Jahr

Schweizer erzählt, dass er aktuell in alten Akten recherchiere und sagt, die Geschichte des Stadtbrands, wie sie auf der Internetseite nachzulesen ist, sei arg geschönt. Tatsächlich seien damals viele Murrhardter in der Stadt gewesen, längst nicht alle in Ilsfeld. Die Löscharbeiten seien aber chaotisch abgelaufen. Manche Bürger hätten sich hämisch gefreut, als ein paar Häuser von ungeliebten Nachbarn niederbrannten – wenig später indes seien dann auch deren Häuser ein Raub der Flammen geworden. Das Feuer sei nicht von spielenden Kinder gelegt worden. Eine frustrierte Ehefrau habe gezündelt.

Armin Mößner weist alle Vorwürfe zurück. Er sagt indes auch, dass „wir mit Herrn Schweizer im Dissens sind, was den Umgang mit dem Jubiläum des Stadtbrands angeht“. Beim Bürgerempfang Anfang des Jahres sei er ausführlich auf das Ereignis eingegangen.

Christian Schweizer habe angekündigt, seine neuesten Erkenntnisse zum Stadtbrand im nächsten Jahres in einem öffentlichen Vortrag zu präsentieren. „Da wollten wir nicht in Konkurrenz gehen“, sagt der Schultes. Der Vortrag soll laut Auskunft des Heimatforschers am 24. Februar 2016 stattfinden. Man darf also gespannt sein.