Mit dem neuen Chef des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses wird das Land von einer Welle politischer und juristischer Aktivitäten erfasst. Die über Jahre lahmgelegte Staatsanwaltschaft ermittelt auf Hochtouren gegen das Korruptionsnetz des Noch-Präsidenten Zuma.

Kapstadt - Südafrika erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Wenige Wochen nach der Wahl des Vizepräsidenten Cyril Ramaphosa zum Chef des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) wird das Land von einer Welle politischer und juristischer Aktivitäten erfasst: Die über Jahre lahmgelegte Staatsanwaltschaft ermittelt auf Hochtouren. Staatsbetriebe, die bis zur Funktionsunfähigkeit mit Höflingen des Noch-Präsidenten Jacob Zuma gespickt wurden, bekommen neuen Aufsichtsgremien. Südafrikas Währung, der Rand, setzt zum Höhenflug an, denn die Regierungspartei hat beschlossen, den 75-jährigen Zuma lange vor Ablauf seiner Amtszeit in eineinhalb Jahren abzuberufen. Wahrscheinlich wird bereits die traditionelle Regierungserklärung zur Eröffnung des Kapstadter Parlaments Mitte Februar nicht mehr von Zuma, sondern von Ramaphosa abgegeben. Während Zuma jetzt nach Liberia zur Amtseinführung des Ex-Fußballspielers George Weah als Staatschef reist, macht sich der neue ANC-Chef auf den Weg nach Davos: Auch das gilt als Zeichen dafür, wer am Kap der Guten Hoffnung nun am Drücker sitzt. Und der Investmentbank Goldman Sachs zufolge könnte sich Südafrika rasch vom Ladenhüter zur begehrtesten Volkswirtschaft der Schwellenländer wandeln.

 

Der Stratege will die Gefolgschaft Zumas nicht vor den Kopf stoßen

Zunächst war Ramaphosas Ankündigung, dass Zuma „nicht gedemütigt“ und seine Absetzung „nicht überhastet“ sein solle, vielen Südafrikanern sauer aufgestoßen. Sie verstanden das als Hinweis darauf, dass der Präsident von Strafverfahren verschont bleiben solle. Ramaphosas Gefolgsleute im ANC versichern jedoch, dass es nicht zu einer Amnestie kommen werde: Zumas Schicksal werde den Strafverfolgungsbehörden überlassen. Die milden Töne des ANC-Chefs sind eher von der Sorge um die Einheit der ehemaligen Befreiungsbewegung bestimmt. Der strategische Kopf der Partei will die noch immer beträchtliche Gefolgschaft Zumas nicht vor den Kopf stoßen.

In eineinhalb Jahren stehen in Südafrika Wahlen an: Erstmals in der knapp 25-jährigen Geschichte des von der Rassistenherrschaft befreiten Landes könnte der ANC die absolute Mehrheit verlieren. Ramaphosa muss deshalb sowohl die Einheit der Partei wahren wie die Ex-Wähler zurückgewinnen, die der Partei unter Zumas Führung den Rücken gekehrt haben. Das erfordert ein vorsichtiges Manövrieren.

Auch internationale Firmen sind in die Machenschaften verwickelt

Dass es der neue ANC-Chef aber mit einer Runderneuerung der Organisation ebenso wie mit der Renaissance des Verfassungsstaats ernst meint, ist aktuell unbestreitbar. Er zwang Zuma, einer Untersuchungskommission seines Korruptionsnetzes zuzustimmen. Und während die Staatsanwaltschaft unter ihrem Zuma-treuen Chef Shaun Abrahams (alias Shaun das Schaf) bislang durch Untätigkeit glänzte, wurde jetzt bekannt, dass Ermittler der Behörde ohne Abrahams Wissen mehr als einem Dutzend von vermutlichen Korruptionsfällen nachgehen. Vor Gericht beantragten die Ankläger bereits die Beschlagnahmung veruntreuter 1,3 Milliarden Rand (90 Millionen Euro).

Neben der Politik sind internationale Firmen wie McKinsey, KMPG und SAP in die Machenschaften verwickelt. Auch beim staatlichen Stromkonzern Eskom schlug Ramaphosa zu, dem die Cliquenwirtschaft der Zuma-Familien schwer zugesetzt hatten. Dieser braucht zeitnah eine Kapitalspritze von 1,3 Milliarden Euro, sonst droht mit der Zahlungsunfähigkeit eine verheerende Belastung des Staats. Der neue ANC-Chef hat Topmanagement und Aufsichtsrat des Konzerns austauschen lassen. Nun besteht zumindest wieder Hoffnung, dass Eskom neue Kreditgeber findet.