Millionen lesen regelmäßig mit Vergnügen hintersinnige Blödsinnsnachrichten: auf der Website „Der Postillon“. Das erfolgreiche Satireprojekt hat es aus dem Netz auf die Bühne geschafft und kommt auch nach Stuttgart. Zeit für ein paar Wahrheiten also.

Stuttgart - „Der Postillon“ ist am 10. November 2018 live in Stuttgart zu erleben. Aber wer oder was ist das überhaupt? Wir haben mal fünf Fakten über das Fake-News-Portal zusammengesucht.

 

Fakt 1: Eigenart

Nüchtern könnte man es wie Wikipedia ausdrücken: „Der Postillon“ ist eine deutschsprachige Website, die seit 2008 von Stefan Sichermann betrieben wird und täglich satirische Beiträge im Stil von Zeitungsartikeln und Agenturmeldungen veröffentlicht. Man könnte es aber auch dramatischer sagen: Stefan Sichermann, Jahrgang 1980, ist nichts anderes übrig geblieben, um seine kleine Familie zu ernähren. Eigentlich wollte er ordentlicher Journalist werden. Aber keiner wollte ihn. Er musste einfach zynisch werden. Oder mindestens Satiriker. Heute sagt er zufrieden: „Dass ich jetzt Chefredakteur einer Ein-Mann-Zeitung bin, die im Gegensatz zu vielen Zeitungen gut da steht, ist natürlich eine schöne Pointe.“ Fun Fact: Sichermann gilt als sehr medienscheu.

Fakt 2: Erfolg

Die „Postillon“-Falschnachrichten werden inzwischen auf Facebook und Twitter öfter geteilt als die echten Nachrichten seriöser Medien. Ihre besondere Qualität: Sie klingen hundertprozentig wie reale Zeitungsmeldungen, egal, wie absurd ihr Inhalt auch ist. Erstmals steil in die Höhe schnellten die Nutzerzahlen im Jahr 2011 bei einer Meldung mit dem Titel: „Razzia bei kino.to zwingt Millionen User, zwei Minuten nach neuer Streaming-Plattform zu suchen.“ Inzwischen gefällt der „Postillon“ zweieinhalb Millionen Menschen auf Facebook. Eine Datenanalyse der „Süddeutschen Zeitung“ hat 2017 ergeben: „Auf die Satire des ,Postillon‘ und der ‚Heute-Show‘ können sich alle von Linkspartei bis CSU einigen. Nur aus dem AfD-Milieu kommen keine Likes.“ Längst kursiert die Fake-News-Sammlung auf verschiedenen Kanälen – von Video- bis Radionachrichten. Selbst Amazons humorlose Alexa kann den „Postillon“-Newsticker starten.

Fakt 3: Offenheit

Stefan Sichermann will gar nicht tricksen. Er legt Wert darauf, dass die Satire schon in der Überschrift zu erkennen ist. Also kann man bei ihm beispielsweise lesen: „Eilmeldung: Gefährlicher Tiger in Duisburger Zoo gesichtet!“, „Vorbild Bahn: Flugzeuge werden mit Notbremse ausgestattet“ oder auch „Aus Cork: Irland-Urlauber bringt Pinnwand als Souvenir mit“ und „Krankenwagen werden mit Pflug ausgestattet, um Rettungsgasse freiräumen zu können“ . Vieles, was Stuttgart hergibt, hat sich Sichermann ebenfalls schon vorgeknöpft: Stuttgart 21, Feinstaub, VfB. Schon 2013 meldete er: „Punkt erreicht, an dem es günstiger ist, Stuttgart um 32 Meter anzuheben, statt Bahnhof zu versenken.“

Fakt 4; Stolperfalle

Stefan Sichermann will gar nicht tricksen, aber selbst Politprofis fallen auf ihn herein. So hielt die AfD-Politikerin Beatrix von Storch Ende Mai 2016 einen Artikel des „Postillons“ vom Januar 2015 über die Einführung einer europäischen Nationalmannschaft für authentisch. Auf Facebook-Post wetterte sie gegen die Maßnahme und warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, die Fußball-EM abschaffen und die EU-Nationalstaaten auflösen zu wollen, damit es in Zukunft „nur noch EU-Bundesliga“ gäbe. Das stiftete wiederum Verwirrung in den sozialen Medien, da die Öffentlichkeit den Bezug zur „Postillon“-Meldung nicht sofort herstellen konnte. Anderes Beispiel: Im Februar dieses Jahres veröffentlichte die Politikerin Erika Steinbach auf ihrem Twitter-Profil das Bild einer Schlagzeile, die verkündete, ein Muslim wolle keinen Jägermeister mehr trinken, nachdem er ein christliches Kreuz auf dem Flaschenlogo entdeckt habe. Dieses Bild stammte von der Satireseite „Der Gazetteur“ und wurde vom „Postillon“ zu einem kompletten Artikel weitergesponnen. Steinbach wurde über ihre Blamage aufgeklärt, meinte aber nur, dass so eine Meldung im gegenwärtigen politischen Klima doch auch real sein könnte.

Fakt 5: Bühnenreif

Den „Postillon“ gibt es jetzt auch offline: Seit Oktober 2017 tourt die Liveshow quer durch ganz Deutschland – mit der „Postillon“-Randbemerkung: „Außer Saarbrücken. Niemand will nach Saarbrücken.“ Laut Sichermann freue man sich, „nun auch dem internetfernen Publikum das Geld aus der Tasche zu ziehen und dem Ziel der Weltherrschaft ein Stück näher zu kommen“. Durch das Programm führt aber nicht der medienscheue Sichermann. Die Show schmeißen Anne Rothäuser und Thieß Neubert, die Originalsprecher der „Postillon“-Video-und -Radionachrichten.

Termin: Der „Postillon“ ist live zu Gast im Theaterhaus am 10. November 2018 um 20.15 Uhr