Der VfB Stuttgart hat, wie andere deutschen Fußball-Vereine auch, ein dunkles Kapitel in seiner Club-Geschichte: Einer seiner Präsidenten war Mitglied der NSDAP.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Der VfB Stuttgart lenkt den Blick auf seine Vergangenheit. Unter dem Titel „Mythos VfB“ erinnert der Verein an die Fusion von FV Stuttgart und Kronen-Klub Cannstatt, aus der vor 100 Jahren der VfB Stuttgart hervorging. Zurzeit gibt es eine Wanderausstellung, die durch die Region führt. Auf Schautafeln und mit diversen Exponaten wird an die ruhmreiche Fußballgeschichte des VfB erinnert. Und so spielen hier die fünf Meistertitel und die drei Pokalsiege eine ganz große Rolle.

 

Nach dem dunkelsten Kapitel in der VfB-Historie sucht man in dieser Ausstellung dagegen fast vergeblich. In einem kleinen Schaukasten ist lediglich ein Foto der VfB-Mannschaft von 1935 zu sehen, die im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft Schalke 04 unterlegen war. Dazu noch ein unkommentierter Bericht aus dem „Kicker“-Sportmagazin, in dem über das Bankett der Finalteilnehmer berichtet wird. Die Bebilderung zeigt im Hintergrund eine Hakenkreuzfahne. Das ist schon alles zum VfB in der NS-Zeit. Ein bisschen wenig.

„Dieses Thema hat so viel Eigengewicht. Es in diese Ausstellung zu integrieren, würde ihm nicht gerecht werden“, sagt Harald Jordan, der auf Honorarbasis die historische Abteilung des VfB Stuttgart leitet: „Mein Wunsch ist, dieses Kapitel der VfB-Geschichte separat und konsequent aufzuarbeiten“, so begegnet der Deutschlehrer an einem Stuttgarter Gymnasium dem Vorwurf, die für den Verein sehr unrühmlichen zwölf Jahre der NS-Herrschaft bewusst auszuklammern. Nun soll zum 120-jährigen Bestehen 2013 eine Chronik entstehen, in der die Zeit zwischen 1933 und 1945 einen zentralen Platz einnimmt. „Die Aufarbeitung dieser Zeit ist dem VfB ein Anliegen“, sagt der Präsident Gerd Mäuser. Was die Frage aufwirft, warum der VfB erst jetzt richtig damit anfängt? Mit der Antwort tut sich der Verein schwer.

Andere Clubs kümmern sich mehr um die Vergangenheit

Andere Clubs sind da bei der Aufarbeitung deutlich weiter. Eine Vorbildfunktion nehmen der HSV, Schalke und der FC St. Pauli ein, die ihre nationalsozialistische Vergangenheit von unabhängigen Historikern durchleuchten ließen. So entstanden preisgekrönte Bücher und Ausstellungen zu dem Thema . Viele Bundesligisten orientieren sich da am 2005 erschienenen Buch „Fußball unter Hakenkreuz“ von Nils Havemann. Der DFB hatte den unter anderem an der Universität Stuttgart tätigen Historiker damit beauftragt, den deutschen Fußball intensiv auf seine braunen Flecken hin zu untersuchen. Bei Havemanns Recherchen stellte sich schnell heraus, dass es vier nationalsozialistische Vorzeigefußballvereine gegeben hatte: Schalke 04, Werder Bremen, 1860 München und eben den VfB.

Der allerdings reagierte bisher unentschlossen auf dieses bereits vor zehn Jahren veröffentlichte Forschungsergebnis: Mehr als ein kurzer Abriss im von Harald Jordan verfassten und vom Verein herausgegebenen Buch „Mythos VfB“ und ein Artikel in der Stadionzeitschrift wurde bisher nicht zu dem Thema veröffentlicht.

„Das ist sicher keine Boshaftigkeit“, sagt Nils Havemann zur bisher zaghaften Aufarbeitung beim VfB. Als Außenstehender habe er mit einer innerlichen Distanz zu den Vereinen und zum Verband recherchieren können. Und genau hier liegt wohl auch ein Grund für die VfB-Zurückhaltung. Durch seine Nähe zum Verein betrachtet der Nebenbei-Historiker Harald Jordan die Verwerfungen des Clubs im dritten Reich in einem etwas sanfteren Licht als der kühle Analytiker Havemann.

Nationalistische Stimmen haben im Club den Ton angegeben

Jordan legt großen Wert auf die Erzählungen von Zeitzeugen, in denen aber so manches beschönigt sein dürfte. Solche Gespräche empfindet Jordan aber als Grundvoraussetzung, um von dieser Zeit ein stimmiges Bild zu zeichnen. Er wolle gründlich arbeiten, aber vielleicht habe es zu lange gedauert, sagt er nun selbst. Interessant wird nun sein, ob in der geplanten Chronik mehr über den VfB in der NS-Zeit zum Vorschein kommt als bisher bekannt.

Der VfB war lange vor der Nazizeit ein Verein des Militärs. So entstand auch der Beiname „Säbelesclub“. In diesem Club gaben nationalistische und demokratiefeindliche Stimmen den Ton an. „Der Verein für Bewegungsspiele Stuttgart hat zu allen Zeiten das deutsche Vaterland auf sein Panier geschrieben“, schrieb Egon Graf von Beroldingen, Präsident von 1921 bis 1923.

Im Jahr 1931 wurde dann Hans Kiener Vereinsvorsitzender, der bereits zu diesem Zeitpunkt – zwei Jahre vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten – Mitglied der NSDAP gewesen war. 1932 stellte er den vereinseigenen „Platz bei den drei Pappeln“ mit Begeisterung für eine NSDAP-Großveranstaltung zur Verfügung. So schnell wie in kaum einem anderen deutschen Verein führte der VfB unter Kiener 1933 auch die unheilvolle „Arisierung“ durch und entzog den Juden im Verein die Mitgliedschaft. Dieser Hans Kiener, der sich von 1934 an Vereinsführer nannte, wurde 1953 vom Landessportbund mit der Verdienstnadel ausgezeichnet und im Verein weiter hofiert – viele Jahre als Mitglied des Ältestenrates.