Die letzten Schüsse klingen wie ein Startsignal: Nur wenige Stunden nach dem Tod von Gaddafi laufen die Vorbereitungen für den demokratischen Wandel an.

Tripolis/Brüssel/Berlin - Nach dem blutigen Ende der Ära Gaddafi wendet sich Libyen einer demokratischen Zukunft zu. Nur wenige Stunden nach dem Tod des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi hat der Übergangsrat bereits mit der Bildung eines neuen Staatswesens begonnen. Schon in einem Monat soll die neue Übergangsregierung in Tripolis stehen. Die einstigen Rebellen feierten unterdessen landesweit ihren Erfolg, mit dem das monatelange Blutvergießen in Libyen zu Ende gehen dürfte. Nach zunächst unbestätigten Berichten wollte der Übergangsrat am Samstag Libyen für befreit erklären.

 

Wer genau den Ex-Diktator am Donnerstag in seiner Heimatstadt Sirte tötete, konnte vorerst nicht geklärt werden, da sich die Berichte widersprachen. Zuletzt erklärte Ministerpräsident Mahmud Dschibril, Gaddafi sei gefangen genommen und kurz darauf lebensgefährlich verletzt worden, als die Kämpfer, die ihn auf einem Pritschenwagen von Sirte nach Misrata bringen wollten, auf dem Weg unter Beschuss geraten seien. Er sei nicht von den Kämpfern zu Tode geprügelt worden, sondern erst nach seiner Ankunft im Krankenhaus von Misrata gestorben, weil er viel Blut verloren habe.

Leichnam beäugt

Nach einem Bericht der „New York Times“ wurde Gaddafis Leichnam in Misrata von Hunderten Menschen beäugt. Feiernde Soldaten der Übergangsregierung gaben unterdessen die „ultimativen Trophäen dieser Revolution“ von Hand zu Hand weiter - Gaddafis goldene Pistole, sein Satellitentelefon, seinen braunen Schal und einen schwarzen Stiefel.

Außer Gaddafi sollen auch dessen Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi und Verteidigungsminister Abu Bakr Junis getötet worden sein. Am Abend wurde zudem der Tod der Gaddafi-Söhne Saif al-Islam und Mutassim vom staatlichen Fernsehen bestätigt. Beide sollen wie ihr Vater in Sirte getötet worden sein.

Die Libyer nehmen ihr Schicksal jetzt selbst in die Hand. Dschibril sagte am Donnerstagabend nach Angaben des Senders Al-Dschasira, die neuen Machthaber wollten an diesem Samstag offiziell den Beginn der Übergangsphase auf dem Weg zu einem demokratischen Staat verkünden. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, wolle dies in Sirte, der Heimatstadt von Ex-Diktator Gaddafi tun. Dann werde binnen 30 Tagen eine neue Übergangsregierung gebildet. Acht Monate später solle dann ein Nationalkongress einberufen werden, um die Weichen für einen kompletten Neuanfang zu stellen.

Gaddafi vorerst nicht begraben

Dschibril erklärte, der Übergangsrat habe am Donnerstag, nachdem Gaddafi getötet worden sei, Kontakt mit dem Internationalen Strafgerichtshof aufgenommen. Das Gericht habe die Libyer gebeten, Gaddafi vorerst nicht zu begraben, damit der Leichnam untersucht werden könne. Der Übergangsrat habe jedoch anders entschieden. Allerdings hätten Ärzte Haar- und Gewebeproben von der Leiche genommen, um keine Zweifel an der Identität des Getöteten aufkommen zu lassen.

Gaddafi werde in Kürze an einem unbekannten Ort nach islamischem Ritus begraben, sagte Dschibril. Was mit seinem Körper geschehe, sei „ziemlich egal, Hauptsache, er verschwindet“. Offenkundig will der Übergangsrat damit verhindern, dass das Grab zu einem Wallfahrtsort für Gaddafi-Anhänger wird.

Der Nato-Rat will auf einer Sondersitzung voraussichtlich schon am (heutigen) Freitag den Militäreinsatz in Libyen für beendet erklären. US-Präsident Barack Obama sprach von einem „historischen Tag in der Geschichte Libyens“. „Sie haben ihre Revolution gewonnen“, sagte er in Washington an die Adresse der Rebellen gerichtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem Schlusspunkt unter dem Regime Gaddafi. „Damit geht ein blutiger Krieg zu Ende, den Gaddafi gegen sein eigenes Volk geführt hat“, sagte Merkel in Berlin.