Kreisobstfachberater Manfred Nuber macht den Klimawandel für die Wetterkapriolen verantwortlich.

Kreis Böblingen - Der letzte Winter bot viele Wetterkapriolen: Es gab sehr milde Phasen im Januar, gefolgt von einer sehr kalten Woche im Februar und dann dem noch nie dagewesen Temperaturanstieg von Minus 15 Grad auf plus 25 Grad. Kreisobstfachberater Manfred Nuber schüttelt nur den Kopf „über den Temperaturunterschied, wie er noch nie innerhalb einer Woche gemessen wurde. Und jetzt stattet der Winter dem Frühjahr einen Besuch ab.“ Dies zeige, dass der Klimawandel das Wetter immer unberechenbarer mache und die Probleme damit nicht nur für den Obstbau zunehmen.

 

Obstblüte aufgebrochen

Die Obstblüte ist laut Nuber von der aktuellen Kältephase stark betroffen. „Die Warmphasen in den letzten Wochen haben die Knospen aufbrechen lassen. Im Gegensatz zum Menschen kann der Baum aber nicht mehr seine Winterjacke herausholen, die er einmal abgelegt hat“, erklärt der 57-jährige Kreisobstfachberater. Und das sei genau das Problem mit den großen Temperaturunterschieden. Denn einmal angetrieben, hielten die Knospen viel weniger an Minusgraden aus als in der Winterruhe.

Bereits in Vollblüte stehen im Landkreis Böblingen die Pfirsiche und Aprikosen. Allerdings sind die Bestände laut Nuber nur gering. Viel dramatischer sind demnach die Entwicklungen bei Zwetschge und Kirsche, deren Kulturen in erheblicher Zahl vor allem im Gäu rund um Herrenberg stehen: „Dort sind die meisten Sorten bereits aufgeblüht. Die Minusgrade von bis zu sechs Grad in den letzten Nächten haben die empfindlichen Fruchtknoten im Inneren der Blüte zerstört, die später eigentlich die Frucht hätten bilden sollen“, weiß Nuber. Kein Indiz seien beim Schadensbild die Blütenblätter. So könnten diese immer noch schön weiß aussehen, während das Innenleben bereits abgestorben ist. Teilentwarnung gibt der Obstfachmann für die Blüten von Birne und Apfel. Diese seien noch weniger weit entwickelt. Dort dürften daher die Schäden geringer ausfallen.

Gesamtschaden noch nicht absehbar

Der Gesamtschaden des Spätfrostes ist für die Obstbauern noch nicht absehbar, auch deshalb, weil die Natur die Bäume laut Nuber sehr verschwenderisch mit Blüten ausstattet. So könnte sogar eine Erfrierung um 90 Prozent noch ordentliche Erträge bringen. Die Natur komme auch mit Spätfrost einigermaßen zurecht, weil ein geringer Teil der Blüten sich als Nachzügler erst mehrere Tage später öffnen. Es bestehe für die Obstbaumbesitzer also noch Hoffnung für eine zufriedenstellende Ernte 2021.

Aus seiner 25-jährige Erfahrung als Obstfachberater weiß Nuber, dass trotz hoher Schäden durch Spätfrost immer noch zufriedenstellende Erträge im Herbst in den Korb wandern können: „Wenn weniger Früchte auf dem Baum reifen, werden diese vom Baum besser versorgt, sprich größer und schmackhafter.“ So gesehen sei auch das Ausdünnen der Reben in den Weinbergen als Weg zu höherer Qualität zu verstehen. In Jahren ohne Frost regelt der Obstbaum übrigens den Überhang selbst durch den so genannten Juni-Fruchtfall, damit er sich nicht mit zu vielen Früchten übernimmt.