Wenn eine Konzertbühne nach der anderen schließt, macht man sich sein Konzert eben selbst. Der schweißtreibende Auftritt der Post-Punk-Wiedergänger Desperate Journalist zeigt am Dienstag, wie es richtig geht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Desperate Journalist fügen dem seit bald vierzig Jahren so einflussreichen Genre Post Punk eine neue, energiegeladene, oftmals poppige Note hinzu, die viel verspricht und das allermeiste davon einhält. Benannt ist die Gruppe nach einem The-Cure-Song, musikalisch kann man sie weniger da, sondern eher bei der längst verflossenen Band The Organ verorten, die vor zehn Jahren einen ähnlichen Ansatz verfolgte. Viel versprechend ist beim zweiten Stuttgart-Besuch der Band am Dienstagabend im Goldmark's unter anderem der Publikumszuspruch. Knapp unter ausverkauft ist der Club am Charlottenplatz, der (siehe Schocken, Zwölfzehn) in der Stuttgarter Konzertlandschaft so langsam zum Solitär wird.

 

Gerade in Kombination mit dieser Band zeigt sich, was der Stadt fehlen würde, gäbe es solche Orte nicht. Desperate Journalist spielen eine gut einstündige Show, die an keiner Stelle langweilt und an vielen Stellen mitreißt. Das liegt zum guten Teil an der Sängerin Jo Bevan, deren langgezogene, kraftvolle Gesangslinien mit den Gitarrenmelodien von Rob Hardy Paartanz üben. Das ist nicht ganz so filigran, wie es einst Morrissey und Marr gelang, aber es klingt schon sehr schön. 

Wer schon beim ersten Auftritt in einer Off-Location am Nordbahnhof dabei war, ist außerdem womöglich positiv überrascht von der Energie, die die Schlagzeugerin Caroline Herbert inzwischen scheinbar völlig anstrengungslos aus dem Bühnenhintergrund Richtung Band und Zuschauerraum schiebt. Beim Publikum kommt diese Kraft unmittelbar an: es steht direkt am Bühnenrand.

Kajal, schweißverschmiert

Die Desperate-Journalist-Show lebt von der dynamischen Show, die sich aus mittlerweile zwei Alben speist. Das zierliche Energiebündel Jo Bevan, das sich - da ist die Sängerin ganz Morrissey - das Mikrokabel immer wieder wie einen Strick um den Hals legt, zieht die allermeiste Aufmerksamkeit auf sich. Neben ihr gehen gerade die wegen ihrer Schminke leicht gruftihaft wirkenden männlichen Bandmitglieder nur moderat aus sich heraus. Dass der Kajal ihnen schon in der Mitte des schweißtreibenden Konzerts verwischt, macht deutlich, dass wir eben nicht in einem unterkühlten Londoner Keller Anfang der Achtziger stehen, sondern in einem mit Platten dekorierten, nach dem Erfinder der Schallplatte benannten, engen und stickigen Gitarrenmusikclub in Stuttgart anno 2017.

Wenn schon, und das als abschließender Hinweis, eine Konzertbühne nach der anderen schließt, dann muss man die Dinge eben selbst in die Hand nehmen. In dem Fall tat das der Verein Indiewohnzimmer, der in einem Feuerbacher Wohnzimmer und, seltener, an diversen Off-Locations Konzerte veranstaltet. Diese Form popmusikalischer Selbstermächtigung ist unbedingt zu begrüßen und ja auch im ursprünglichen Sinne Pop.

Auch dieser zweite Auftritt von Desperate Journalist ist Teil eines Wandels in der Stuttgarter Konzertlandschaft. Dass aus verschiedenen, unter anderem Liebhaber-Gründen dann solche Gruppen hier spielen, die sich eine Generation später an einer (weiteren) Re-Interpretation von Post Punk versuchen - es ist kein Schaden, wie der Dienstagabend zeigt.


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