Die zweite Börsenliga M-Dax schrumpft von 60 auf 50 Unternehmen zusammen. Experten kritisieren die Reform als „halbherzig“.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Der Deutsche Aktienindex (Dax) wird im September 2021 von 30 auf 40 Unternehmen erweitert. Dafür schrumpft die zweite Börsenliga M-Dax von 60 auf 50 Mitglieder, wie die Deutsche Börse am Dienstag mitteilte. Das Unternehmen hatte seine Reformpläne bereits im Oktober vorgestellt und legte nun nach einer Konsultation der Marktteilnehmer die endgültige Fassung vor.

 

Auf Zustimmung stießen neben der Erweiterung des Dax auch die verschärften Aufnahmekriterien: Ab Dezember dieses Jahres sollen in die erste Börsenliga nur noch Unternehmen aufsteigen, die in den letzten beiden Geschäftsjahren einen Vorsteuergewinn erzielt haben. Für Bestandsmitglieder hat diese Regel aber keine Folgen. Demnach kann der bis dato unprofitable Essenslieferant Delivery Hero, der erst im August in den Dax aufgestiegen ist, im Leitindex bleiben.

Lehren aus dem Wirecard-Skandal

Delivery Hero löste den skandalgeschüttelten Zahlungsdienstleister Wirecard ab, der im Juni in die Insolvenz geschlittert war. Als Konsequenz aus den Bilanzmanipulationen bei Wirecard verschärft die Börse die Sanktionen für Verzögerungen in der Finanzberichterstattung: Ab März 2021 werden Dax-, M-Dax- und S-Dax-Mitglieder ausgeschlossen, wenn sich ein Quartals- oder Geschäftsbericht um mehr als 30 Tage verspätet. Zudem müssen alle Mitglieder dieser drei Indizes bis Herbst 2022 einen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat einrichten.

Zurückgezogen hat die Börse ihren Vorschlag, Unternehmen aus der Dax-Familie auszuschließen, die an der Herstellung kontroverser Waffen beteiligt sind. Getroffen hätte das den Flugzeugbauer Airbus, da die Tochterfirma ArianeGroup Trägerraketen für französische Atomwaffen herstellt. Rüstungskonzerne wie Rheinmetall wären von dem Vorschlag hingegen nicht betroffen gewesen.

Einführung und Zuschnitt ethischer Kriterien umstritten

Unter „kontroverse Waffen“ fallen nach der von der Börse verwendeten Definition Antipersonenminen, Atomwaffen, biologische und chemische Kampfstoffe sowie Streubomben. Während einige Marktteilnehmer diese Definition als unzureichend kritisierten, äußerten andere grundlegende Bedenken gegen ethische Ausschlusskriterien für Indizes, die den gesamten deutschen Markt abbilden sollen. Die Börse wies daraufhin, dass mit dem Dax ESG 50 bereits ein separater, nach Nachhaltigkeitskriterien aufgebauter Index existiert.

Der Dachverband der Kritischen Aktionäre und die Nichtregierungsorganisation Urgewald kritisierten die Entscheidung scharf: „Dass die Deutsche Börse selbst Atomwaffen nicht ausschließen will, entlarvt den Anspruch, sich als nachhaltigen Finanzplatz zu profilieren als Feigenblatt.“ Auch der Chefanlagestratege der Deutschen Bank, Ulrich Stephan, zeigte sich enttäuscht: „Da hätte man einen Schritt weiter gehen können.“

Mögliche Aufsteiger

Von der Größe her könnte Airbus mit der Erweiterung des Dax sogar in die erste Börsenliga aufsteigen. Angesichts der Verluste durch die Corona-Krise dürfte der Flugzeugbauer allerdings am neuen Profitabilitätskriterium scheitern.

Weitere Kandidaten für einen Wechsel vom M-Dax in den Dax sind nach derzeitigem Stand Symrise, der Online-Modehändler Zalando, der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius, der Diagnostik-Spezialist Qiagen, das Wohnungsunternehmen LEG Immobilien, der Chemiehändler Brenntag, Siemens Healthineers, der Versicherungskonzern Hannover Rück und der Kochboxen-Lieferant Hello Fresh.

Diese M-Dax-Unternehmen zählten im Oktober zusammen mit den bestehenden Dax-Konzernen zu den 40 börsennotierten Gesellschaften mit der größten Free-Float-Marktkapitalisierung. Gemeint ist damit der Gesamtwert aller in Streubesitz befindlichen Aktien. Dieser Wert kann sich bis zur tatsächlichen Erweiterung des Dax im September aber noch ändern.

Am Branchenmix ändert sich wenig

„Viele Schritte gehen in die richtige Richtung, bleiben aber halbherzig“, kommentierte Marc Decker von der Privatbank Merck Finck die Reform. Im gleichen Sinne äußerten sich auch andere Experten. Nach der Erweiterung des Dax müssten auch M-Dax und S-Dax „überprüft und gegebenenfalls angepasst werden“, forderte die geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts (Dai), Christine Bortenlänger.

Experten der DZ Bank haben ausgerechnet, dass sich durch die Aufstockung um zehn Unternehmen an der Gewichtung der verschiedenen Branchen im Dax nur wenig ändern würde. „Ein höheres Gewicht beispielsweise von Technologieaktien im Dax kann damit aller Voraussicht nach nicht erreicht werden“, schrieb DZ-Bank-Analyst Michael Bissinger in einem Kommentar.