Die deutschen Rodler haben ihre Vormachtstellung verloren – was auch daran lag, dass sie in der Vergangenheit extrem erfolgreich waren. Bundestrainer Norbert Loch sucht einen Ausweg.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Oberhof - Es war einmal, dass der Weltcup in Oberhof ein Festtag für alle deutschen Rodel-Liebhaber war. Da feierten die Doppelsitzer 2010 einen Dreifachtriumph, vor vier Jahren standen im Einzel sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen sogar ausschließlich Deutsche auf dem Podium. Hört sich fast an wie ein Märchen, blickt man auf die Ergebnislisten dieser Saison. Bei den Frauen hält wenigstens Julia Taubitz (23) die schwarz-rot-goldene Fahne mit fünf Siegen hoch, doch bei den Männern herrscht eine Mixtur aus Frust, Verzweiflung und Hoffnung. Der erste Saisonsieg gelang erst vor einer Woche in Sigulda, als Johannes Ludwig (33) am schnellsten durch den technisch schwierigen lettischen Eiskanal raste. Doch der einstige Dominator Felix Loch sucht weiter nach der Form vergangener Zeiten, der 13-malige Weltmeister landete in Sigulda auf Platz 27 – so weit hinten stand sein Name in der Weltcup-Ergebnisliste nie.

 

„Man kann nicht immer oben schwimmen, es gibt immer mal schwächere Phasen“, sagt Thomas Schwab, der Direktor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD). Soll heißen: Beim Heimspiel in Oberhof an diesem Wochenende sollten die deutschen Fans nicht unbedingt damit rechnen, eine nimmer endende rauschende Party zu feiern. Gut, bei Doppelsitzern und Frauen, wo die Rodel-Stars Natalie Geisenberger (31) und Dajana Eitberger (29) eine Babypause einlegen, überkommt einen nicht unbedingt der Drang zum Weinen beim Blick auf die Weltcup-Listen, doch die Herren agieren alles andere als herrlich. „Ein Sorgenkind hast du eben immer“, sagt Thomas Schwab.

Fehlentwicklung an den Kufen

Es gab Jahre, da hätte Felix Loch einen Eiskanal im Schlaf runter rasen können, er hätte eine Spitzenzeit hingelegt. Das war einmal. Und der Olympia-Dritte Ludwig kommt diesen Winter auf der Suche nach der Ideallinie auch nur behutsam vorwärts. Ein Grund für die Probleme: An der Geometrie der Laufschiene des Schlittens wurde experimentiert, da haben die Tüftler etwas verschlimmbessert. „Wir haben in der Materialstrategie eine falsche Richtung eingeschlagen“, räumt Schwab ein – und die Fehlentwicklung fiel eben erst zu Beginn der Saison auf, als die Konkurrenz viel zu häufig schneller war. Wieder in die richtige Spur zu finden, das dauert. „Das klappt nicht innerhalb einer Woche“, sagt Norbert Loch, „man arbeitet sich nur langsam wieder voran.“

Der Bundestrainer verheimlicht nicht, dass nicht allein der Schlitten an der Misere im Eiskanal schuld ist. Die Konkurrenz hat aufgeholt. Zum einen, weil deutsche Trainer ins Ausland abgewandert sind und dort ihr Know-how anwenden – in der Trainingssteuerung, der Verbandsstruktur und im Bau der Schlitten. Zum anderen, weil der Heimvorteil abgenommen hat. Nur in Deutschland befinden sich vier Eiskanäle (Winterberg, Altenberg, Oberhof, Königssee), dort trainierten die BSD-Sportler und besaßen einen Vorsprung gegenüber der internationalen Konkurrenz. „Der ist nicht mehr so vorhanden“, betont Bundestrainer Loch.

Talente sollen stärker integriert werden

Zuletzt ist da noch der Fluch der guten Tat. Aufgrund ihrer langjährigen Dominanz verstellten die Platzhirsche dem deutschen Nachwuchs den Weg in den Weltcup, so konnten sich die Junioren nicht an die Weltelite herantasten. „Das ist ein Luxusproblem“, sagt BSD-Direktor Schwab. Also wurde rotiert, immer wieder durfte ein Talent reinschnuppern, aber die Strategie scheiterte. Kurzeinsätze reichten nicht, um die Jungen nach oben zu bringen. Nach zwei Jahren Rotation kehrt der BSD nun zu mehr Kontinuität in der Weltcup-Equipe zurück. Der Bundestrainer setzt auf Junioren-Weltmeister Max Langenhan (20) und Moritz Bollmann (20). Die zählen in Oberhof zwar noch nicht zu den Podiumskandidaten, aber die ersten Schritte, um den Rodel-Thron zurückzuerobern, hat der BSD getan. Und vielleicht gibt es für die Fans am Rande des thüringischen Eiskanals ja doch einen Anlass, mit dem einen oder anderen Bier anzustoßen.