Die Kanzlerin ist überzeugt: Vieles, was nach der Wiedervereinigung passiert ist, kommt bei den Menschen im Osten jetzt nochmal hoch. Insgesamt sieht sie in Deutschland eine „gewisse Nervosität“.

Berlin - Vor dem Tag der Deutschen Einheit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Verständnis für den Unmut vieler Ostdeutscher gezeigt. Insgesamt sei die Einheit eine Erfolgsgeschichte, sagte die CDU-Vorsitzende der „Augsburger Allgemeinen“. „Aber es ist schon auch so: Vieles, was Anfang der neunziger Jahre passiert ist, kommt jetzt bei den Menschen nochmal auf den Tisch.“ Viele hätten ihre Arbeit verloren, die Einheit habe zu harten Umbrüchen geführt. „Das ist niemals eine Rechtfertigung für Hass und Gewalt“, betonte Merkel. „Aber es ist eine Erklärung für eine andere Lebensbiografie.“

 

Die Kanzlerin vertrat die Ansicht, es gebe seit der Bundestagswahl 2017 in Deutschland eine „gewisse Nervosität“. Dies habe mit dem Wahlergebnis zu tun. „Aber sicher auch mit der Tatsache, dass das Thema Flüchtlinge dieses Land ein Stück weit spaltet.“ Dies dürfe aber nicht zu einer Vergiftung der Auseinandersetzungen führen: „Diese völlige Enthemmung in der Sprache ist etwas, das wir nicht tolerieren dürfen in Deutschland“, sagte die Kanzlerin.

Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Manuela Schwesig rief dazu auf, sich nicht mit der Kluft zwischen Ost und West abzufinden. „Es gibt Unterschiede, die nach fast 30 Jahren Einheit schmerzen. Mit diesen Unterschieden dürfen wir uns nicht zufriedengeben“, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Es sei inakzeptabel, dass Ostdeutsche im Schnitt länger arbeiteten als die Menschen in Westdeutschland, aber 15 Prozent weniger Gehalt bekämen. „Das kann ich fast 30 Jahre nach der Deutschen Einheit niemandem erklären.“