Bei starker Hitze raten Ärzte vom Sporttreiben ab. Die deutschen Leichtathleten mussten bei den nationalen Titelkämpfen in Braunschweig dennoch in der prallen Sonne schwitzen, bei tropischen Temperaturen fanden die 5000-Meter-Läufe statt. Marcel Fehr von der LG Filstal hat dafür kein Verständnis.

Stuttgart - Unter Extrembedingungen fanden am Wochenende die deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig statt. Die große Hitze machte vor allem den Läufern zu schaffen – auch dem Schorndorfer Marcel Fehr (28) von der LG Filstal, der Kritik am DLV übt.

 

Herr Fehr, wie anstrengend ist es, bei 37 Grad im Schatten einen 5000-Meter-Lauf zu bestreiten?

Es ist die Hölle, wie in einem Glutofen. Unter solchen Bedingungen habe ich noch nie einen Wettkampf bestritten. Ich hatte bis unmittelbar vor dem Rennen überlegt, ob ich überhaupt an den Start gehen soll. Wenn man schon vorher weiß, dass man seine Leistung nicht bringen kann, hat es eigentlich keinen Sinn. Einfach die Koffer zu packen – das wollte ich dann aber auch nicht.

Wie kann man sich auf eine solche Hitzeschlacht vorbereiten?

Ich habe versucht, mich im Vorfeld so konsequent wie nie zuvor runterzukühlen. Im Hotel bin ich alle 20 Minuten in die mit Eiswasser gefüllte Badewanne gestiegen. Und bis kurz vor dem Start habe ich eine Kühlweste getragen und bin ich mit meinem Trainer (Uwe Schneider, Anm. d. Red.) im klimatisierten Auto rund ums Stadion gefahren. Beim Einlauf ins Stadion hat es sich dann dennoch so angefühlt, als betrete man eine Sauna.

Sie sind in 14:11,47 Minuten Sechster geworden. 40 Sekunden über Ihrer Bestzeit.

Zeit und Platzierung waren unter diesen Bedingungen zweitrangig. Allein die Gesundheit stand im Vordergrund. Ich wollte nicht, dass es mir noch einmal so ergeht wie bei der Team-EM 2015 in Russland, als ich nach dem Zieleinlauf umgekippt und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht bin. Dabei war es damals gar nicht so heiß wie jetzt in Braunschweig. Daher verstehe ich auch nicht, wie man ein 5000-Meter-Rennen schon um 17.40 Uhr und nicht deutlich später ansetzt.

Der Zeitplan stand lange vorher fest, und dass es im August heiß sein kann, ist nicht neu. Heißt: Sie mussten damit rechnen.

Dass es aber das heißeste Wochenende des Jahres werden würde, das war beim Meldeschluss zwei Wochen vorher nicht absehbar. Und dass es im August heiß sein kann, weiß auch der DLV. Deshalb ist es ja umso überraschender, warum die Langstreckenläufe nicht ein paar Stunden später stattfinden. Meiner Meinung nach wurde der Zeitplan von Anfang Juni da einfach gedankenlos in den August übertragen.

Sie hätten ja auf einer anderen Strecke melden können.

Ich habe wenige Tage vor der Meisterschaft versucht, auf die 1500 Meter umzumelden, wo ein Startplatz frei gewesen wäre. Ich hatte sogar ein Attest vom DLV-Mannschaftsarzt, da ich sehr hitzeempfindlich bin. Leider wurde dies ebenso abgelehnt wie die schriftliche Bitte meines Läuferkollegen Florian Orth an den DLV, das das 5000-Meter-Rennen nach hinten zu verschieben. Es hieß unter anderem, das ginge wegen der Fernsehübertragung nicht.

Müssen Leichtathleten solche Kröten nicht schlucken, um überhaupt Fernsehzeit zu bekommen?

Mag sein. Aber bringt es unseren Sport weiter, wenn die Leute im Fernsehen dann ein solches Bummelrennen erleben, bei dem die Läufer im Joggingtempo unterwegs sind und nur in den letzten zwei Runden schneller werden? Jeder weiß doch, dass es nicht gesund ist, in der prallen Sonne Sport zu treiben. Zumindest mir wäre es in einem solchen Fall viel lieber, unter Ausschluss der TV-Öffentlichkeit, dafür aber unter gesundheitlich unbedenklichen Bedingungen zu laufen. Die 5000 Meter gehören meiner Meinung nach ins feste Programm bei einer DM und natürlich auch ins Fernsehen. Aber nicht auf Kosten der Gesundheit der Athleten.

Alina Reh, Siegerin im 5000-Meter-Rennen der Frauen, meinte, dass ein solches Hitzerennen die beste Vorbereitung auf Olympia in Tokio sei. Denn auch dort wird es heiß.

Das Finale wird aber sicher nicht am Nachmittag stattfinden, sondern erst am späteren Abend, wenn es nicht mehr ganz so heiß ist. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Der Hochleistungssport ist auch ein Unterhaltungsbetrieb. Was zählen da die Interessen der Athleten?

Nicht sehr viel, das ist zumindest mein Eindruck, den ich nun auch aus Braunschweig mitgenommen habe. Viel wichtiger sind die Stimmen der Funktionäre, Veranstalter und TV-Stationen. Als Athlet fühlt man sich oft ausgeliefert. Wir haben daher im Läuferkreis überlegt, ob wir aus dem 5000-Meter-Rennen eine Protestaktion machen sollen und bis 800 Meter vor Schluss spazieren gehen. So etwas lässt sich so kurzfristig aber kaum organisieren, da die Interessen der Athleten unterschiedlich sind.