Die deutsche Frauenfußball-Elf holt sich mit dem 1:0-Sieg gegen Norwegen den achten EM-Titel, aber dafür muss Torhüterin Nadine Angerer zwei umstrittene Elfmeter halten.

Solna - Michel Platini ist in der Prozedur schon sehr geübt. Wo immer der Franzose in diesem Sommer zu einer Siegerehrung in seiner Eigenschaft als Uefa-Präsident auftaucht, nehmen deutsche Mannschaften eine wertvolle Trophäe entgegen. Nach dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern München, die in London die Champions League bei Frauen und Männern gewannen, kam ihm auf der Ehrentribüne der Arena im schwedischen Solna nun Nadine Angerer entgegen, um für die DFB-Auswahl einen altbekannten und mehr als sechs Kilogramm schweren Pokal abzuholen.

 

Mit dem hart erkämpften 1:0 (0:0) gegen Norwegen haben die Deutschen bereits zum achten Mal den EM-Titel gewonnen. Zwei Stars brachte das Finale im stimmungsvollen schwedischen Nationalstadion hervor: die Torschützin Anja Mittag, der nach 49 Minuten die Entscheidung glückte. Und vor allem die Torhüterin Nadine Angerer, die ihre Heldentat aus dem Finale der Weltmeisterschaft 2007 mit einem gehaltenen Elfmeter noch zu toppen wusste. Gleich zwei umstrittene Strafstöße – von Trine Rønning (29.) und Solveig Gulbrandsen (61.) – wehrte die 34-Jährige mit starken Reflexen ab. Keine Frage: die beste Torhüterin des Turniers schrieb damit ein Stück deutsche Frauenfußball-Geschichte.

„Es ist einfach nur phänomenal und geil, wieder Europameister zu sein“, sagte Angerer. Die Bundestrainerin Silvia Neid schwärmte von ihrer Kapitänin: „Sie hat ihre ganze Klasse unter Beweis gestellt. Sie wollte unbedingt keinen reinlassen.“ Großes Lob für den Titelgewinn erhielten Angerer und ihre Teamkolleginnen auch von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Mit Ihrer großartigen Leistung haben Sie einmal mehr gezeigt: Der deutsche Frauenfußball gehört zur Weltspitze! Feiern Sie! Und lassen Sie sich feiern! Mit Ihnen freut sich ganz Fußball-Deutschland!“, beglückwünschte Gauck. Und Merkel gratulierte der Mannschaft mit den Worten: „Ihr Team hat eindrucksvoll seine internationale Klasse mit Fußball auf höchstem Niveau unter Beweis gestellt. Es hat die Menschen in unserem Land begeistert.“

Nadine Angerer hält im Finale zwei Elfmeterschüsse

Vor der prächtigen Kulisse von 41 301 Zuschauern begann die deutsche Mannschaft stürmisch. Nach nur einer Minute köpfte Nadine Keßler an die Latte. Der Titelverteidiger hinterließ in der flotten Anfangsphase einen guten Eindruck – wie erwartet ließ das vor elf Tagen verlorene letzte Gruppenspiel gegen Norwegen (0:1) keine Rückschlüsse auf dieses Finale zu. Doch allmählich erarbeitete sich auch der Gegner, den der Trainer Even Pellerud längst nicht so defensiv eingestellt hatte wie befürchtet, selbst gute Gelegenheiten.

Höhepunkt der ersten Halbzeit eines würdigen Endspiels: Catherine Dekkerhus kam im Zweikampf gegen die nach einer Oberschenkelzerrung in die Mannschaft gerückte Celia Okoyino da Mbabi zu Fall, und die schwache rumänische Schiedsrichterin Cristiana Dorcioman zeigte auf den Elfmeterpunkt. Nadine Angerer, zuvor schon wegen einer falschen Eckballentscheidung fuchsteufelswild, zürnte heftig, doch dann zeigte die Weltklassetorhüterin die bessere Reaktion: Geistesgegenwärtig mit dem Bein wehrte sie den Schuss von Trine Rønning ab (29.). Auch Silvia Neid jubelte am Spielfeldrand.

„Was gar nicht passieren darf“, hatte die Bundestrainerin zuvor gewarnt, „ist, dass wir in Rückstand geraten.“ Zumal bei diesem Turnier noch kein Team einen Rückstand in einen Sieg umgemünzt hatte. Das DFB-Team tat sich in der Folgezeit schwer, die gut organisierten Norwegerinnen in Verlegenheit zu bringen. Bereits beim Gang in die Kabinen gab Silvia Neid eine Einweisung an Anja Mittag, die nach der Pause die fahrige Lena Lotzen ersetzte. Zuvor hatten die Organisatoren die schwedische Nationalmannschaft mit ihrer Trainerin Pia Sundhage auf den Platz gebeten: Der Gastgeber holte sich frenetischen Applaus ab; außerdem war mit dieser Maßnahme verhindert worden, dass viele schwedische Kartenbesitzer zuhause bleiben.

Bundestrainerin Neid ist stolz auf die junge Mannschaft

Die Entscheidung, an den Stadtrand von Stockholm zu fahren, sollte niemand bereuen. Eine Musterkombination über Simone Laudehr und die über den linken Flügel vorgestoßene Celia Okoyino da Mbabi mündete in einen formidablen Treffer der in Schweden beheimateten und für Malmö spielenden Anja Mittag (49.). Hektisch wurde es, als nach angeblichem Vergehen von Jennifer Cramer an Caroline Hansen der zweite norwegische Strafstoß fällig war: Diesmal parierte Angerer den Schuss von Solveig Gulbrandsen mit der Hand (61.).

Dabei war sicherlich nicht von Nachteil, dass die charismatische Torfrau in den vergangenen Monaten sechs Kilogramm abgenommen hatte, wie die Bundestrainerin Silvia Neid am Vortag – zum leichten Ärger ihrer Kapitänin – ausgeplaudert hatte. Doch der Sieg war erst perfekt, als ein Tor von Ada Hegerberg wegen Abseits nicht anerkannt wurde (64.). „Was diese junge Mannschaft geleistet hat, macht mich sehr stolz“, sagte Silvia Neid. „Dieser EM-Titel ist etwas ganz Besonderes.“