Der ehemalige Formel-1-Pilot Timo Glock steuert in der Tourenwagenserie einen BMW und startet seine zweite Karriere.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Hockenheim - Was treibt ehemalige Formel- 1-Piloten in die DTM? Ungeachtet dieser Frage steigt Timo Glock am Sonntag in Hockenheim beim Auftakt der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft erstmals ins geschlossene Auto (13.30 Uhr/ARD). Er fährt einen BMW. Auch die schlechten Erfahrungen seiner Vorgänger konnten ihn nicht davon abhalten. Der Finne Mika Häkkinen tat sich schwer, Heinz-Harald Frentzen rührte glücklos im Opel-Getriebe herum, und für Ralf Schumacher war der Ausflug in die Box-Auto-Serie auch nicht von Erfolg gekrönt. Für David Coulthards Fahrversuche gab es neulich sogar vom polternden DTM-Veteranen Klaus Ludwig ordentlich was auf die Mütze: „David war eine echte Lachnummer.“

 

Das Lachen vergeht Timo Glock ob dieser Vorgeschichten überhaupt nicht. Der Mann aus dem Odenwald ist ein Gemütsmensch, immer höflich, immer lustig. Noch nie hat den in Lindenfels geborenen Rennfahrer die aufgeregte und geschwätzige Motorsportszene beeindruckt – in der Formel 1 nicht und in der DTM schon gar nicht. Auf die Frage, ob er schon einmal darüber nachgedacht habe, dass Formel-1-Piloten in der Tourenwagenserie mitunter eingehen wie die Primeln und ihm das auch passieren könnte, antwortete er mit den Händen in der Tasche und dem BMW-Emblem auf der Brust ziemlich entspannt: „Es kann geschehen, aber Angst davor habe ich nicht. Wenn es so wäre, wäre es so.“

Die Königsklasse „völlig befreit“ verlassen

Was Timo Glock nach nur wenigen Testkilometern zunächst vorhat, ist simpel: „Ich muss die DTM verstehen.“ Das hängt mit den enormen physikalischen Unterschieden zusammen. Ein Formel-1-Rennwagen hat viel mehr Power, wiegt aber nur halb so viel wie ein Tourenwagen. Glock tauscht überspitzt formuliert eine Rakete gegen einen schwerfällige Familienkutsche ein – Ralf Schumacher kam damit nie zurecht. „Man kann mit einem Formel-1-Auto unheimlich spät in die Kurven bremsen und sie dann extrem schnell durchfahren, das geht mit einem DTM-Auto schon mal gar nicht“, sagt der Rennfahrer, der in der Königsklasse nicht mehr dabei ist, weil sich sein chronisch klammer Arbeitgeber Marussia das Millionengehalt des 31-Jährigen nicht mehr leisten wollte. Die Formel-1-Karriere des Gerüstbauers war ohnehin nicht von Glück begleitet.

Sechs Jahre fuhr er mit, sein Talent galt als unbestritten – und doch war er der Mann, der nie zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Team war. Von seinen Fähigkeiten zeugten seine beiden zweiten Plätze und ein dritter Rang in den Jahren 2008 und 2009 in einem Toyota – doch dann zogen die Etatweltmeister aus Japan wegen anhaltender Erfolglosigkeit den Stecker. Glock stand auf der Straße. Im Januar dieses Jahres, auch das noch, kündigte ihm Marussia seinen eigentlich noch bis 2014 laufenden Vertrag auf. Glock im Unglück.

War seine Formel-1-Karriere eine unvollendete? „Das würde ich nicht sagen, ich habe die Zeit genossen und viel für mich gelernt“, sagt der Pilot in Hockenheim und behauptet, die Königsklasse des Motorsports „völlig befreit“ verlassen zu haben. Weit weg vom Sieg war er nicht, mit Toyota hätte es wohl noch klappen können. „Wir hatten 2009 einen großen Sprung gemacht und hätten eine Basis für die Zukunft gehabt“, sagt der Hesse, doch dann kam der Ausstieg – und mit ihm der Frust. „Es lag nicht in meiner Hand.“

Die Formel 1 verfolgt Glock vor dem Fernseher

Die BMW-Familie, sagt er, habe ihn nach der Formel-1-Karriere herzlich aufgenommen, immerhin das. Er muss jetzt auch nicht von null auf hundert in 2,5 Sekunden durchstarten. „Ich habe hier noch keinen getroffen, der von mir im ersten Jahr einen Sieg erwartet – das Ziel ist erst einmal, am Podium zu kratzen“, sagt Timo Glock, dem die zehn DTM-Rennen im Vergleich zu 19 Formel-1-Auftritten im Jahr allerdings zu wenig sind. Immerhin bleibt ihm so etwas mehr Zeit fürs Radfahren, das ist das Gute daran. Mit dem Kumpel Sebastian Vettel, der in der Schweiz nur 15 Kilometer von seinem Wohnort Gottlieben im Kanton Thurgau entfernt wohnt, klappt das Radeln künftig allerdings nicht mehr so gut. „Wir haben unsere Terminkalender verglichen, in diesem Jahr wird es schwierig: wenn Sebastian weg ist, bin ich da – und umgekehrt“, sagt Timo Glock.

Die Formel-1-Rennen seines Ex-Kollegen verfolgt er vor dem Fernseher – Ehrensache. Das allerdings mit seiner ihm eigenen Gelassenheit: „Vom ersten Grand Prix habe ich die letzten sechs Runden gesehen – und davor ausgezeichnet geschlafen.“