„Ich möchte allen danken, die wissen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Büchern und Joghurt.“ Mit diesen Worten bedankte sich Inger-Maria Mahlke, als sie am Montagabend mit dem Deutschen Buchpreis geehrt wurde.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Frankfurt - Nach den vielen Rücksichten, die bei der Entscheidung für den Deutschen Buchpreis immer wieder in Anschlag gebracht werden, ist es vielleicht nicht überraschend, dass nach Robert Menasse und Bodo Kirchhoff in den letzten beiden Jahren, einmal wieder eine Autorin für den besten deutschsprachigen Roman geehrt wird. Eine überwältigte Inger-Maria Mahlke hat am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römer für ihren Teneriffa-Roman „Archipel“ die Auszeichnung entgegen genommen. Und man muss, um sich darüber zu freuen, gar nicht erst an den machohaften Auftritt Kirchhoffs bei gleicher Gelegenheit zurückdenken.

 

Auch die Konkurenz hatte gute Chancen

Mahlkes konsequent rückwärts aufgerolltes, die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit dem Schicksal dreier Familien verschränkendes Inselpanorama, ist unter den zahlreichen Geschichtsreisen, die in diesem Jahr zur Auswahl standen, vielleicht diejenige, die am konsequentesten die Gegenwart als Summe des Vergangenen zur Darstellung bringt. Und doch hätte man jenseits allen Proporzes den beiden verbliebenen Männern im Feld, Maxim Biller und Stephan Thome, unter rein literarischen Kriterien den Preis ebenso gegönnt. Biller, weil er mit der um ein dunkles Familiengeheimnis kreisenden Familiengeschichte die Wirren eines ganzen Jahrhunderts in „Sechs Koffer“ handlich verpackt hat. Thome, weil er mit seiner dritten erfolglosen Nominierung dabei ist, eine Art Philip Roth des Deutschen Buchpreises zu werden – jemand, der immer hochgehandelt wird, am Ende mit leeren Händen dasteht. Dabei führt seine Kunst des perspektivischen Erzählens in dem China-Roman „Gott der Barbaren“ exemplarisch vor Augen, dass historische Gerechtigkeit nicht auf Schlachtfeldern, sondern im Feld der Literatur errungen wird.

Sie ehrte die entlassene Verlagschefin Barbara Laugwitz in ihrer Rede

Aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit fällt auch auf Mahlkes bei Rowohlt erschienenes Buch ein Licht, das manche Schwäche seines allzu rigide beobachteten Rückwärtsgangs vergessen lässt. In Mahlke ehrt die Jury nämlich die Arbeit der auf unwürdige Weise vor kurzem aus dem Amt gedrängten Verlagschefin Barbara Laugwitz. Ihr legt die Autorin in ihrer Dankesrede den Preis zu Füßen, „für ihren Einsatz, ihre Begeisterung für die Literatur und ihr Wissen darum, dass Autorenleben und künstlerische Produktion sehr fragile Prozesse und Zustände sind, denn es gibt einen Unterschied zwischen Büchern und Joghurt. “ Langer Beifall. Bei Rowohlt dürfte man ihn mit sehr gemischten Empfindungen aufgenommen haben.