Dass für den Deutschen Katholikentag das Reiterdenkmal von Kaiser Wilhelm I. auf dem Karlsplatz mit rotem Stoff versteckt wird, sorgt in Stuttgart für heftige Reaktionen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Seit über 120 Jahren thront Kaiser Wilhelm I., obwohl er kein Württemberger ist, mitten in Stuttgart auf dem nicht mal nach ihm benannten Karlsplatz. Schon mehrfach ist in der Stadt heftig darüber gestritten worden, ob das Reiterstandbild ganz verschwinden oder in den Hof der früheren Rotebühlkaserne umziehen sollte. Was bisher weder Demonstranten noch die Kritik von Historikern vermocht haben, gelingt dem 102. Deutschen Katholikentag, der an diesem Mittwoch in Stuttgart beginnt. Der olle Kaiser sieht nix mehr! Mit rotem Stoff ist er zugedeckt – mit der Farbe der Revolution!

 

Ist die Aktion mit der Kirche abgestimmt?

Das Kunstkollektiv ReCollect hat sich dazu bekannt, Wilhelm verhüllt zu haben. Die Installation gehöre zum Projekt „DenkMalNach“, das die „Schattenseiten der deutschen Kolonialgeschichte“ beleuchte. Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, bestätigte auf unsere Anfrage, dass er hinter der Aktion stehe. Eine Arbeitsgruppe des Kirchentags wolle das Reiterdenkmal „kontextualisieren“. Mit der Reichsgründung habe Wilhelm für den „beginnenden Nationalismus“ gesorgt. Das rote Tuch um den 1888 verstorbenen Monarchen löst heftige Reaktionen aus. Auf der Facebook-Seite unseres Stuttgart-Albums überwiegt in einer Flut an Kommentaren die Kritik am temporären Verhüllen des Denkmals. Tenor: Die katholische Kirche sollte erst ihre eigenen Probleme lösen!

„Die katholische Kirche hat andere Baustellen und will davon ablenken“

„Was für Heuchler!“, ist zu lesen, „Kreuzzüge, Inquisition, Wegschauen bei den Übergriffen an Schutzbefohlenen, das alles blenden wir aus?“ Ein Kommentator fragt, ob Wilhelm nicht „Kaiser von Gottes und der Kirchen Gnaden“ gewesen sei. Patrick Mikolaj, Blogger vom Unnützen Stuttgart-Wissen, findet, „dass die katholische Kirche andere Baustellen hat und mit der Verhüllung davon ablenken will“. Im stadtgeschichtlichen Tri-bühne-Theaterstück „Des Kaisers letztes Pferd“ von Gerhard D. Wulf ruft das Pferd das Publikum dazu auf, Wilhelm vom Sockel zu stürzen. Der Autor selbst plädiert nicht für die Entfernung von Denkmälern. Wichtiger sei die Einordnung in den geschichtlichen Kontext. Man sollte auf einer Infotafel am Reiterstandbild erklären, welche Rolle der Kaiser bei Nationalismus und Kolonialismus spiele, und auch die Rolle der Kirche sei in Kolonien nicht ruhmreich gewesen.

Die temporäre Verhüllung sei ein Ansatz, findet Wulf, „allerdings hätte es genügt, den Kaiser zu verhüllen, nicht auch noch das Pferd“. Der Katholikentag ist noch nicht eröffnet und hat seinen ersten Aufreger.