Wer so einen Ersatz-Ersatzmann hat, kann sich glücklich schätzen. Mustafi überzeugt bei der Beförderung in die EM-Startelf und feiert sogar sein Tordebüt. Jetzt ist Fingerspitzengefühl von Löw gefragt – wegen Mats Hummels.

Lille - Lange nachdem sich Mats Hummels als einsatzbereit für das Polen-Spiel in die Nacht verabschiedet hatte, gab Vertreter Shkodran Mustafi erschöpft immer noch Interviews. „Ich kann nicht mehr, ich hab mir meinen Mund fusselig geredet“, erklärte der Tordebütant mit einem Lächeln. Trotzdem beschrieb Mustafi noch ein weiteres Mal gerne seinen ganz besonderen EM-Glücksstart.

 

Wegen der Verletzungen von Hummels und Antonio Rüdiger war der Innenverteidiger des FC Valencia überhaupt erst in die Mannschaft gerückt und krönte eine gute Defensivleistung mit seinem ersten Tor im elften Länderspiel. Freistoß-Flanke Toni Kroos - und dann war Mustafi mit einem wuchtigen Kopfball zum wichtigen 1:0 zur Stelle.

„In erster Linie war es für mich wichtig, meinen Job zu machen und das Vertrauen zurück zu geben“, sagte der 24-Jährige, der in den Stadionkatakomben in Lille Deutsch, Englisch und Italienisch parlierte. Mustafi, der vor der WM in Brasilien erst durch den Ausfall von Marco Reus in den Kader gerückt und auf dem Weg zum WM-Titel sogar zu drei Einsätzen gekommen war, kostete einfach nur den schönen Augenblick dankbar aus. „Ich will das jetzt genießen. In einem Turnier hat man dazu nicht so lange Zeit“, sagte Mustafi.

Hummels lobt Mustafi

Der nächste Gegner ist am Donnerstag Polen. Und für das Finale um den Gruppensieg meldete sich Stammkraft Hummels auf dem Weg aus dem Stade Pierre Mauroy einsatzbereit. Die Partie am Donnerstag sei eine Option, sagte der 27-Jährige. Mit der Art und Weise eines Einsatzes für die Partie in Paris mochte sich Hummels öffentlich nicht befassen. „Das wird der Trainer entscheiden. Ich habe zuletzt Jürgen Klopp gerne zitiert: Ich bin tiefenentspannt. Hauptsache wir gewinnen das Ding“, sagte der langjährige BVB-Abwehrchef.

Dass der Bald-Münchner gleich in die Startformation rückt, ist kein Automatismus. Schon gar nicht nach dem Auftritt von Mustafi am Sonntagabend. „Mats Hummels ist ein überragender Innenverteidiger. Aber trotzdem hat Musti seine Rolle überragend gespielt und war sehr präsent in den Defensivaktionen“, lobte Kapitäns-Vertreter Manuel Neuer. Der Welttorhüter sprach von einem „Superspiel“ des EM-Debütanten: „Wir sind froh, dass wir so einen tollen Mann in der Innenverteidigung haben.“

Arge Probleme in der Abwehr vor der Pause

Auch Joachim Löw war mit dem Auftritt des Abwehr-Backups, der in Brasilien als Rechtsverteidiger ran durfte, zufrieden. „Er hat seine Sache gut gemacht, er hat jetzt ein paar Wochen auch nicht gespielt. In der Mitte haben Mustafi und Jérôme Boateng viele Zweikämpfe gewonnen“, analysierte der Bundestrainer. Insgesamt hatte die umformierte Abwehr jedoch vor allem beim Stand von 1:0 kurz vor der Halbzeitpause arge Probleme, die der Bundestrainer in den Tagen vor dem Polen-Match weiter in den Griff bekommen will. Auch dabei muss Löw abwägen, wann er Hummels für wie lange wieder einsetzt.

„Ich bin keiner, der auf der Bank sitzt und sich ärgert. Ich habe mich darüber gefreut, dass er die Leistung gebracht hat, die er eh bringen kann, weil er einfach ein herausragender Verteidiger ist“, schilderte Hummels die ungewohnte Bank-Perspektive und lobte Mustafi.

Dagegen kam Mustafi nach zuvor nur zwei Länderspielen und 135 Minuten in der EM-Saison zu seinem größten aktiven Moment im Nationaltrikot. „Wichtig ist aber der Erfolg der Mannschaft“, sagte der 24-Jährige. Natürlich ahnt er, dass er im Normalfall bald Hummels Platz machen muss. „Das Wichtigste ist, dass wir gewinnen. Dann sind wir am Ende alle Europameister.“