Die nach etlichen Ausfällen neuformierte DFB-Elf verspielt gegen Argentinien eine 2:0-Führung und kommt nicht über ein 2:2 hinaus. Den überfallartigen Konterfußball kann die Mannschaft von Joachim Löw nur eine Stunde durchhalten.

Dortmund - Aus der Not heraus hat eine Bubi-Elf um den neuen Torgaranten Serge Gnabry gegen Argentinien lange verblüfft - brach am Ende aber ein. Die von Bundestrainer Joachim Löw nach dem Ausfall von 15 Nationalspielern formierte Verlegenheits-Formation begeisterte am Mittwochabend die lediglich 45 197 Zuschauer in Dortmund beim 2:2 (2:0) im Testspiel gegen die ohne Weltfußballer Lionel Messi angetretenen Gäste zwischenzeitlich mit ihrem überfallartigen Konterfußball. In der Schlussphase zahlte sie Lehrgeld.

 

Der immer gefährliche Bayern-Angreifer Gnabry (15. Minute) mit seinem zehnten Tor im elften Länderspiel und der Leverkusener Kai Havertz (22.) mit seinem Premierentreffer im Nationaltrikot belohnten die im Schnitt 24 Jahre alte DFB-Startelf mit den Freiburger Neulingen Robin Koch und Luca Waldschmidt für einen beherzten und forschen Auftritt. Die eingewechselten Lucas Alario (66.) und Lucas Ocampos (85.) sorgten für den Ausgleich. Nach der grundsätzlich dennoch überzeugenden Vorstellung kann die Löw-Auswahl mit viel Energie nach Tallinn zum EM-Qualifikationsspiel beim punktlosen Tabellenletzten Estland an diesem Sonntag (20.45 Uhr/RTL) reisen.

Joshua Kimmich erstmals Kapitän

Löws Notelf, die zum ersten Mal seit fünf Jahren ohne Weltmeister auflief, agierte im inzwischen bewährten 3-4-3-System von Beginn an erstaunlich eingespielt. Das Umschaltspiel meist über Havertz funktionierte vor allem in der ersten Halbzeit trotz der vielen Ausfälle. Die junge DFB-Elf, die erstmals von Joshua Kimmich als Kapitän aufs Feld geführt wurde, stellte die überforderten und oftmals überrumpelten Gäste immer wieder vor Probleme. Marc-André ter Stegen, der im deutschen Tor seine Chance bekam, war kaum gefordert.

Gnabry vollendete eine Flanke des auffälligen Lukas Klostermann technisch stark, kurz vor der Pause scheiterte er knapp (45.). Den Treffer durch Havertz, der seine Qualitäten als Spielmacher aufblitzen ließ, bereitete der Münchner Vierfach-Torschütze aus der Champions League lehrbuchhaft vor. An der Entstehung war wieder Klostermann beteiligt. Der Außenverteidiger von RB Leipzig konnte sich auf der rechten Seite immer wieder energisch ins Angriffsspiel einschalten.

Löw stand zwischenzeitlich hoch zufrieden an der Seitenlinie, die Sorgen der vergangenen Tage schienen plötzlich weit weg - schließlich hätte er allein mit den verletzt oder krank fehlenden Spielern eine überaus konkurrenzfähige Mannschaft aufstellen können. Unter anderem Langzeitpatient Leroy Sané, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka und Toni Kroos hatten absagen müssen. Timo Werner plagt eine Grippe, Marco Reus saß „ein bisschen angeschlagen“ (Löw) auf der Bank.

Ohne Messi fehlte aber die Durchschlagskraft

Von dem kurzfristigen Ausfall des eigentlich für die Startelf eingeplanten Berliners Niklas Stark (Magen-Darm-Infekt) profitierte Koch als zentraler Innenverteidiger neben Niklas Süle und Emre Can, der in der 55. Minute an Argentiniens Torwart Agustin Marchesin scheiterte. Der 23 Jahre alte Koch erledigte seine Aufgabe unaufgeregt und umsichtig - beim Gegentor durch den Leverkusener Alario zahlte der SC-Profi allerdings Lehrgeld und kam im Zweikampf zu spät. Waldschmidt konnte sich neben seinen schnellen Sturmpartnern Gnabry und Julian Brandt nicht oft in Szene setzen. Kurz nach dem Wiederanpfiff traf er das Außennetz (47.).

„Sie sind motiviert und haben keine Angst“, sagte Löw über die Neulinge 102 und 103 seiner Amtszeit. Der Leverkusener Nadiem Amiri kam in der 66. Minute als Debütant Nummer 104, auch der ebenfalls nachnominierte Schalker Suat Serdar kam zu seinem ersten Einsatz (72.). Auf der Ehrentribüne feierte der neue DFB-Präsident Fritz Keller als dritter Freiburger sein Debüt bei der Nationalmannschaft. Er sah in der 31. Minute des bis dahin unterhaltsamen Spiels einen Freistoßknaller von Marcel Halstenberg, der aber nur die Latte traf.

Auf der Gegenseite scheiterte Rodrigo de Paul am linken Pfosten (33.). Nach dem Anschlusstreffer wurden die Gäste, die sich unter Trainer Lionel Scaloni fast noch mehr als die deutsche Mannschaft im Umbruch befinden, besser. Ohne Superstar Messi fehlte aber die ganz große Durchschlagskraft. Die Starspieler Paulo Dybala, der ohne Torschuss nach gut einer Stunde ausgewechselt wurde, und Lautaro Martinez kamen fast überhaupt nicht zur Geltung. Alario verfehlte das Tor von ter Stegen knapp (78.), Ocampos machte es besser.