Schiffe, die in den Hamburger Hafen einlaufen, werden vor den Toren der Hansestadt standesgemäß empfangen. Dafür sorgen die Begrüßungskapitäne am Willkomm-Höft in Wedel.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Wedel - Ein Überraschungsgast wird erwartet! Die „Barzan“ soll in Hamburg anlegen. Das Containerschiff der Reederei United Arab Shipping hat eine Kapazität von 18 800 Containereinheiten und zählt zu den größten Frachtern der Welt. Ein Stahlgigant, 400 Meter lang, 59 Meter breit. Der im April getaufte Meereslaster befindet sich auf Jungfernfahrt. „In Qingdao in China wurde sie zum ersten Mal beladen und fuhr via Schanghai nach Rotterdam. Jetzt ist sie auf dem Weg zu uns“, sagt Eckart Bolte. Der 67-Jährige aus Uetersen in Schleswig-Holstein ist einer der fünf Begrüßungskapitäne in Wedel bei Hamburg. Als er an diesem Morgen um 10 Uhr seinen Dienst antrat, dachte er noch, die Ausfahrt des Ferienkreuzers „Aida Sol“ würde der Höhepunkt des Tages. Nun hat er einen Megaliner zu begrüßen.

 

Die Gäste auf der Terrasse des Schulauer Fährhauses, in dem sich die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft (von niederdeutsch Hööft „Landspitze, -zunge“) befindet, sind schon ganz gespannt. Schiffen zuwinken ist eine beliebte Beschäftigung der Hamburger. Etwa 10 000 Pötte laufen pro Jahr die Hansestadt an. Da sollte ein vorbeiziehender Ozeanriese zur Gewohnheit gehören. Doch die Hamburger können sich an Dampfern nicht sattsehen. Vor allem am Wochenende zieht es sie in Scharen an die Elbe. Der Ausguck am Willkomm-Höft ist besonders beliebt. Hier gibt es nicht nur Kaffee und Kuchen mit bestem Blick auf den Fluss, man wird auch passend beschallt. Aus den Lautsprechern erklingt die Hymne des jeweiligen Flaggenstaates und eine Ansage: „Willkommen in Hamburg!“ oder „Auf Wiedersehen!“.

Dazu klingt der gleichnamige Rudi-Schurike-Klassiker. Man fühlt sich wie in einem begehbaren Freddy-Quinn-Film. Fernweh liegt in der Luft, die Sehnsucht nach dem Meer macht melancholisch, und im Ohr hat man unwillkürlich alte Seemannsklassiker. „Junge, komm bald wieder“, „La Paloma“, „Einmal noch nach Bombay“. Manche Schaulustige stehen auch auf dem schwimmenden Bootssteg an der Elbe. Überall sind die Ansagen des Begrüßungskapitäns zu hören. Er liefert beflissen Zahlen und Fakten. Wer fährt da? Woher kommt das Schiff? Wohin geht die Reise? „Sehr geehrte Damen und Herren, nun sehen Sie den Chemikalienfrachter ,Lucy Essberger‘ der Hamburger Reederei John T. Essberger. Das Schiff fährt unter niederländischer Flagge und befindet sich auf dem Weg nach Rotterdam“, tönt Eckart Boltes Stimme. Tä-tä-tä-tä! Hymne. Nicht jedes Schiff, das die Elbe hinunter- oder hinauffährt, wird am Willkomm-Höft groß beachtet. „Die Grenze liegt bei einer Bruttoraumzahl von 1000“, sagt Eckart Bolte.

Die Flagge als Zeichen der Höflichkeit senken

Bei großen Containerschiffen, Stückgutfrachtern oder Kreuzfahrtschiffen fahren die Nautikfreunde in Wedel jedoch ganz groß auf. Dann wird sogar die Flagge „gedippt“, was in der Sprache der Seeleute so viel heißt wie senken. Früher signalisierten die Kapitäne so, dass sie in friedlicher Absicht kommen. Heute ist es ein Zeichen der Höflichkeit. Vor dem Schulauer Fährhaus steht ein Schiffsmast, an dem an gespannten Seilen die Fahne der Hansestadt Hamburg lustig im Wind weht. Beim Dippen wird sie ein Stück auf und ab bewegt. Winke, winke! Dazu hisst der diensthabende Begrüßungskapitän das internationale Flaggensignal für „Gute Reise“: die Buchstaben „U“ und „W“. Die Seeleute freuen sich darüber: „Die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft ist etwas Besonderes, das mir in dieser Form noch nirgendwo auf der Welt begegnet ist“, sagt Ulf Wolter. Der Mann muss es wissen, er kommt viel rum. Als Kapitän des Kreuzfahrtschiffes „Europa 2“ bereist er alle sieben Weltmeere.

1952 hatte ein gewisser Otto Friedrich Behnke die Idee, Schiffe auf dem Weg nach Hamburg oder aus der Hansestadt heraus professionell zu begrüßen. „Er spielte als Kind immer am Elbufer und ärgerte sich, wenn die Matrosen auf den Pötten nicht zurückwinkten“, erzählt Eckart Bolte. Also baute er den Ponton, besorgte sich eine Lautsprecheranlage und machte fortan ordentlich Krach. Die Idee ist einmalig - zumindest fast. 1997 kam zwar jemand am Nordsee-Kanal auf die Idee, eine ähnliche Anlage zu installieren. „Aber nur wir sind auf den Seekarten verzeichnet“, sagt Eckart Bolte stolz. Das Uniformhemd mit den drei Streifen auf den Schultern verleiht dem Begrüßungskapitän die Aura eines echten Nautikers. „Aber man muss für diese Aufgabe kein richtiger Kapitän sein“, sagt der 67-Jährige.

Ein bisschen Sehnsucht nach der Ferne und ein Interesse für Seefahrt genügen. Immerhin hatte der Pensionär in seinem Berufsleben mit Schiffen zu tun. Er besaß eine Gießerei, die Schiffsmodelle herstellte. Nun ist er Minijobber und sitzt mindestens zweimal die Woche als Elbe-DJ auf seiner Kommandobrücke im Schulauer Fährhaus. Es gibt vier weitere Kollegen, allesamt Rentner, die sich abwechseln. Bezahlt werden sie vom Wirt des Fährhauses. Das kleine Büro der Begrüßungskapitäne erinnert ein wenig an den Führerstand eines echten Schiffes. Nur gibt es hier kein Steuerrad, dafür jede Menge Bildschirme und ein Mischpult. Zwei Monitore helfen Eckart Bolte, die Elbe im Blick zu behalten. Der Computer zeigt die aktuellen Schiffspositionen in der Umgebung. In einem Kasten beim Fenster stecken Tausende Karteikarten. Jede Karte gehört zu einem Schiff. Handschriftlich sind darauf verschiedene Informationen notiert: Baujahr, Maße, Reederei und so weiter. Für die „Barzan“ legt Eckart Bolte schnell eine neue Karte an.

„Wir begrüßen jeden Tag - außer bei Nebel“

Natürlich könnte man das auch im Computer speichern, aber zu viel Technik passt nicht zu solch einem nostalgischen Ort. Immerhin sind die Hymnen inzwischendigitalisiert, sicherheitshalber hat man die Kassetten mit den Melodien aber noch da. Im Mischpult sind 150 Nationalhymnen gespeichert, plus Begrüßung und Verabschiedung in der jeweiligen Landessprache. „Wir begrüßen jeden Tag, Sommer wie Winter - außer bei Nebel“, sagt Eckart Bolte. Bei schlechter Sicht sprechen Sicherheitsbedenken dagegen. Die Seeleute sollen sich im Nebel auf die Navigation konzentrieren. Als Faustregel gilt: Wenn man die kleine Elbinsel namens Hanskalbsand gegenüber nicht mehr erkennen kann, wird der Betrieb eingestellt. Auch nachts werden die Schiffe aus Rücksicht auf die Nachbarn nicht begrüßt.

Für viele Seeleute ist es etwas ganz Besonderes, beim Willkomm-Höft ihre Hymne zu hören. Manchmal variieren die Begrüßungskapitäne ein bisschen. Obwohl ein Schiff unter der Flagge des Karibikstaates Antigua und Barbuda fährt, spielen sie die Hymne der Philippinen - zur Freude der Besatzung. Wenn ein deutschsprachiges Kreuzfahrtschiff vorbeikommt, wird auch „Einigkeit und Recht und Freiheit“ aufgelegt - obwohl der Heimathafen des Luxusliners aus steuerlichen Gründen auf Malta liegt. „Am häufigsten spielen wir die Hymne von Liberia“, sagt Eckart Bolte, der die Aufgabe nicht nur als Jux und Dollerei, sondern als Beitrag zur Völkerverständigung versteht. „Willkomm-Höft ist eine schöne Tradition vor den Toren Hamburgs. Man wird eingestimmt auf die Ankunft im Hamburger Hafen.

Die Passagiere und Gäste genießen das ebenfalls“, sagt Ulf Wolter. Der Kapitän der „Europa 2“ freut sich jedes Mal auf diese Wegstrecke: „Die Elbe hochzufahren, vorbei an meiner Heimatinsel Krautsand, dann sich langsam Hamburg zu nähern, ist wie nach Hause zu kommen. Das sind für mich als Seemann immer wieder bewegende Momente.“ Viele Kapitäne bedanken sich für die Aufmerksamkeit, indem sie das Schiffshorn tuten lassen. Eckart Bolte notiert jede Reaktion penibel in seinem Brückentagebuch in der Spalte für „Bemerkungen“.

Auch Ulf Wolter betätigt gerne das Horn: „Wenn es erlaubt ist, reagiert das Schiff mit drei langen Tönen aus dem Schiffstyphon als Gruß zurück. Außerdem haben wir zwei große Winkehände, um Freundschaften zu pflegen“, sagt Wolter. Auch der Besatzung der „Barzan“ gefällt ihr erster Besuch am Willkomm-Höft. Als das hochhausgroße Schiff am Schulauer Fährhaus vorbeifährt, wird es kurz dunkel. Die Gäste auf der Terrasse staunen schweigend. Eckart Bolte notiert „einmal gedippt“ und „dreimal lang getutet“. Er ist sehr zufrieden.

Schiffe auf der Elbe

Anreise
Ab Hamburg mit der S-Bahn bis Wedel. Von der Haltestelle sind es zehn Minuten Fußweg bis zur Elbe. Fahrplan unter www.hvv.de . Die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft im Schulauer Fährhaus ist jeden Tag geöffnet. Parnaßstraße 29, 22880 Wedel, Tel. 0 41 03 / 9 20 00, www.schulauer-faehrhaus.de .

Tipp: Vorher in den Gezeitenkalender schauen. Nur bei Hochwasser fahren richtig viele Schiffe vorbei.

Unterkunft
Traditionell: Im Hotel Louis C. Jacob wohnt man wie in einem hanseatischen Kaufmannshaushalt. DZ ab 220 Euro, www.hoteljacob.de

Urbaner Schick im angesagten Fünfziger-Jahre- Style: Hotel Henri in der Innenstadt (St. Georg), DZ ab 138 Euro, www.henrihotel.com

Designhotel nahe der Binnenalster: Hotel Side, DZ ab 150 Euro, www.side-hamburg.de

Schiffsradar
Welches Schiff sich wo befindet, kann man im Internet nachsehen.

Für Hamburg und die Elbe: www.hamburg.de/schiffsradar/ oder www.hafen-hamburg.de/de/schiffe/eta

Infos weltweit: www.marinetraffic.com

Hamburg Tourismus listet angekündigte Kreuzfahrtschiffe: www.hamburg-tourism.de/sehenswertes/schiff-und-kreuzfahrt/schiffsankuenfte/

Aktivitäten
Schiffe gucken kann man an vielen Stellen entlang der Elbe. Zum Beispiel sehr zentral an den Landungsbrücken in St. Pauli: www.stpauli-landungsbruecken.de

Ein Muss ist eine Hafenrundfahrt. Empfehlenswert: Die kleinen, wendigen Boote von Barkassen-Meyer fahren je nach Wasserstand der Elbe auch in die Speicherstadt oder durch eine Schleuse (St. Pauli-Landungsbrücken, www.barkassen-meyer.de ) .

Allgemeine Informationen
Hamburg Tourismus, www.hamburg.de