Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat mit großer Mehrheit einen neuen Vorsitzenden gewählt: Reiner Hoffmann tritt anders auf und setzt andere Akzente als sein Vorgänger Michael Sommer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - Der Vater war Maurer, die Mutter Putzfrau. Finanziell war die Familie nicht reich gesegnet, was zu einem „ziemlich strengen Regiment“ geführt habe, wie Reiner Hoffmann berichtet. Die Herkunft hat ihn geprägt. Über den zweiten Bildungsweg hat er sich mit Hilfe eines Stipendiums an der Gesamthochschule Wuppertal zum Diplom-Ökonomen emporgearbeitet. Dennoch kann man den neuen Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes (DGB), der am Montag auf dem Bundeskongress in Berlin mit einer Mehrheit von 93,1 Prozent ins Amt gelang, nicht als klassischen Vertreter der sozial Schwachen einstufen. Er wird wohl andere Akzente setzen als sein Vorgänger Michael Sommer.

 

Hoffmann tritt auch anders auf: Während Sommer auf dem Podium gern emotional wurde und lautstark Verbalkeulen auf politische Gegner niedersausen ließ, wirkt Hoffmann eher wie ein Pfarrer auf der Kanzel: Immer wieder faltet er, leicht nach vorne gebeugt, die Hände vor der Brust und tut ohne Crescendo in der Stimme seine Überzeugungen kund – garniert mit einem Lächeln statt mit hängenden Mundwinkeln. Mancher Satz gerät ihm eher bürokratisch, wo Sommer noch herzhaft geflucht hat. All das reißt niemanden zu Begeisterungsstürmen hin. Doch der polternde Auftritt passt nicht zu ihm. Dann würde er nicht mehr authentisch wirken.

Er erhebt nicht den Anspruch, alles am besten zu wissen

Der neue DGB-Chef hat ferner einen anderen Führungsstil: Denn während Sommer beispielsweise 2006 die auffällige Vize Ursula Engelen-Kefer verdrängte, unterstreicht Hoffmann häufiger, dass sich da ein Führungsquartett an die Arbeit mache. Den Anspruch, alles am besten zu wissen, erhebt er ohnehin nicht. „Annelie, das kannst du besser“, leitet er eine Journalistenfrage zur Gesundheit an die neben ihm stehende Vorstandskollegin Annelie Bun-tenbach weiter. Und Andersdenkende einzubinden, das hat der 58-Jährige vor allem als Vize-Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes gelernt. In Brüssel musste er 82 nationale Gewerkschaftsbünde aus 36 Ländern mit ihren unterschiedlichen Kulturen und politischen Orientierungen zusammenführen – dies habe seine Ungeduld gedämpft. Da habe er gemerkt: Wenn man sich Zeit nimmt, wird das Ergebnis besser und belastbarer.

Im Oktober 2013 gab Hoffmann seinen Job als Landesbezirksleiter der Chemiegewerkschaft ab und stieg in den DGB-Bundesvorstand auf. Schon da war der finale Karriereschritt, der nun ein Monatsgehalt von 12 000 Euro mit sich bringt, längst abgemacht. „Reiner Hoffmann ist vielseitig erfahren und für seine Integrationsfähigkeit geschätzt“, lobt Verdi-Chef Frank Bsirske. Er sei „hervorragend geeignet“ und werde den DGB „klug führen und nach außen vertreten“.

Wohin will Hoffman den DGB führen?

Wohin Hoffmann den Gewerkschaftsbund führen will, dürfte wohl erst heute anlässlich seiner Grundsatzrede klarer werden. Zurückhaltend formuliert er vorab: „Wir haben vieles richtig gemacht – darauf möchte ich aufbauen.“ Gleichwohl sieht er keine soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Drei Millionen Arbeitslose seien viel zu viele; nötig sei eine gesellschaftliche Debatte über den Wert der Arbeit. Er verpackt seine Aussagen so, dass niemand in den eigenen Reihen diese als Kritik verstehen könnte. Bei Sommer hatte man oft den Eindruck, er sei der Alleinvertreter des DGB: Er selbst war zu dominant, das restliche Führungsteam zu schwach. Hoffmann sagt: „Ich werde auf jeden Fall eine Arbeitsweise entwickeln, bei der klar wird: Das wollen wir gemeinsam auf den Weg bringen.“