Bei Pro 7 startet die 30. Staffel der „Simpsons“ in deutscher Fassung. Die langlebige Trickserie ist noch immer herrlich bissig.

Stuttgart - Die Simpsons selbst würden darüber wahrscheinlich ein paar bissige Bemerkungen verlieren – über den Umstand, dass Pro 7 fast einen ganzen Sendetag mit Zeichentrickgeschichten aus Springfield bestreitet, mit bösen Possierlichkeiten aus jener kleinen Gemeinde, die schon immer so schlimm war wie die USA spätestens unter Donald Trump geworden sind. Aber manchmal sind Großevents kein Versuch, flächendeckende Ideenlosigkeit zu kaschieren, manchmal ist eine protzige Feier wirklich angesagt: An diesem Montag startet die deutsche Fassung der 30. Staffel der „Simpsons“.

 

So lange halten sich Fernsehserien eigentlich nie, es gibt sogar Staaten und Religionsgemeinschaften mit kürzerer Lebensdauer. Wer also – aus welchen Gründen auch immer – schon länger nicht mehr vorbeigezappt hat im grellgelben Welttheater von Springfield, der könnte nun denken: „Da muss doch längst die Luft raus sein, die Simpsons sind doch tot.“ Die keinesfalls erschöpften Autoren der Serie ahnen das clever voraus, greifen die Mäkelei auf und nennen gleich die erste Folge der 30. Staffel programmatisch „Bart ist nicht tot“.

Ultramännliche Herausforderungen

Das ist eine ganz normale Serienfolge, will heißen, eine, die beispielhaft verschwenderisch mit ihren Gags und Themen umgeht. Wer Sorge hat, eine Fantasiewelt könnte bis auf den letzten Zentimeter vermessen, jede Wendung schon erprobt, jede Bosheit schon abgefeuert sein, der geht ganz anders mit Motiven um. Zu Beginn trötet Lisa gar nicht untalentiert bei einer Schulveranstaltung auf dem Saxofon. Weil die Halbstarken vom Dienst, die sich auf eine Karriere als lebenslang Versetzungsgefährdete vorbereiten, Jazz doof finden, fordern sie Bart auf, er solle Lisas Auftritt abkürzen – durch Betätigen des Feueralarms. Bart, im Lauf der Jahr doch ein wenig gereift, will das aber nicht, was die ultramännliche Herausforderung nach sich zieht, er müsse sich trauen, sonst stehe er als Memme da.

Dass Bart immer noch nicht am Alarmhebel zieht, bringt ihm nicht nur die Androhung heftiger Prügel ein. Er findet nirgends Verständnis für seine Standhaftigkeit, nicht einmal in der eigenen Familie. Eine solche Herausforderung müsse man immer akzeptieren, belämmert ihn sogar der Großvater. Barts Vater, gesteht er, sei auch nur aufgrund solch einer „Trau Dich“-Provokation gezeugt worden. Nun gut, ein wenig rationale Begründung ist auch dabei: „Es war nach dem Krieg, wir brauchten Babys.“

Grüße von Jesus

Man könnte dem „Simpsons“-Team wirklich keinen Vorwurf machen, wäre es beim Thema der Bedrohung durch Rohlinge an der Schule geblieben. Oder hätte es sich danach nur noch auf die falsch verstandene Idee von Courage und Männlichkeit konzentriert. Aber diese Episode eilt ganz ohne Flatterhaftigkeit, mit einer schneidend bösen Szene nach der anderen, von Thema zu Thema. Bart verunglückt bei einer besonders idiotischen Mutprobe so schwer, dass man für einen Moment glauben könnte, er liege im Sterben. Da sieht er als opportunistischer Flunkerer seine Chance gekommen: Er behauptet, kurz schon mal im Jenseits, an der Himmelspforte, gewesen zu sein, nun habe er Grüße von Jesus auszurichten. Was folgt, ist eine leider gar nicht so realitätsferne Veräppelung einer esoterischem Hokuspokus zugeneigten Gesellschaft. Barts Gebrabbel löst augenblicklich Ehrfurcht aus.

In den USA sind die schlimmsten der Erweckungsscharlatane Profitmaximierer, die trotz ihrer gen Himmel rollenden Augen das Kassenbuch im Blick haben. Und so dreht sich schon die Auftaktfolge der 30. „Simpsons“-Staffel hellsichtig weiter. Es läutet an der Tür, und vor dem Heim von Homer, Marge, Bart und den anderen stehen drei adrette Herren, die sich als christliche Filmproduzenten vorstellen.

Das halten auch die Simpsons nicht aus

Von diesem lukrativen Filmmarkt der USA, von diesem Anti-Hollywood, das rabiate Fundamentalisten und gemäßigte Christen mit süßlichen Verlogenheiten erreicht, bekommt man hierzulande gnädig wenig mit. Aber man kann bei den „Simpsons“ einen kurzen Abriss des Gewerbes finden: Schon die Verlegenheit auf die Frage, ob die Gewinne der Filme denn einer Kirche zuflössen, spricht Bände.

Noch schöner ist die ölige Verzückung, mit der Barts Himmelfahrt dann für die Kamera mit schrillen Ausschmückungen nachgestellt wird. Die Simpsons sind keine Schöngeister und immer an ein paar Extra-Dollars interessiert, aber das wird auch ihnen zuviel. Mit anderen Worten: Die 30. Staffel der „Simpsons“ zeigt, dass die Serie so gut ist wie eh und je. Und das ist nun wirklich ein Wunder zum Gläubigwerden.

Pro 7, 28. Oktober ab 2019, 4.50 Uhr. Die 1. Folge der neuen Staffel läuft ab 21.10 Uhr.