Die AfD streitet über die Gründe für das Wahlergebnis. Dabei zeigt der Einzug in beide Parlament auch: Die Partei verfügt über eine stabile Kernwählerschaft. Eine Analyse.

Berlin - Von Bornhagen im thüringischen Eichsfeld kann man in ein paar Stunden im Berliner Westen sein. Wenn man denn möchte. Hier hat, in einer Seitenstraße gleich beim KaDeWe, die AfD ihre Parteizentrale. Björn Höcke ist ein eher seltener Gast. Der ultrarechte AfD-Landeschef von Thüringen bekleidet kein Amt in der Bundesspitze. Der führende Kopf des rechten Parteiflügels verschafft sich so zugleich Freiheit und eine gute Deckung. Wenn er will, kommt er hervor.

 

Jetzt war es wieder so weit. Anlass: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die AfD musste in beiden Ländern ordentliche Verluste einstecken. In Baden-Württemberg verlor sie im Vergleich zu 2016 fast ein Drittel ihrer Wähler und fiel auf 9,7 Prozent ab. Auch in Rheinland-Pfalz verlor die Partei mehr als vier Punkte und landete auf 8,3 Prozent.

Höcke meldet sich zu Wort

„Die AfD hat mit ihren nur noch einstelligen Prozenten im Westen nicht lediglich einen Streifschuss erhalten, sondern eine klare Wahlschlappe einstecken müssen“, schrieb Höcke danach in einem Aufsatz für den „Deutschlandkurier“. Die Stoßrichtung der Kritik ist klar – und sie zeigt den inhaltlichen Riss, der mitten im Wahljahr durch die Partei geht. Höcke kritisiert die teils „langweiligbiederen Slogans“ im Wahlkampf, das „schwache politische Profil“ – und die aus seiner Sicht falsche Zielgruppe. Das Schielen nach der ominösen „bürgerlichen Mitte“ habe sich einmal mehr als falsch erwiesen.

Die Pfeile zielten auf seinen Widersacher, Parteichef Jörg Meuthen. Der hatte kurz zuvor in mehreren Wahlnachlesen auf seine Weise die Verluste erklärt. Höckes Kritik an einem „bürgerlich-freiheitlich-konservativen“ Kurs teilt er dabei natürlich nicht. Hinter seiner Linie stehe die Mehrheit der Partei. Die AfD sei nach einem „kometenhaften Aufstieg“ von 2016 nun in einer Konsolidierungsphase, sagte Meuthen dem Fernsehsender Phoenix. Die Partei sei weit entfernt davon zu verschwinden. Das klingt bescheiden angesichts eines eigentlich ganz anders lautenden, selbst gesteckten Ziels: Regierungsbeteiligung. Aber wo zwischen diesen beiden Polen steht die AfD?

Gerupft, aber im Grunde stabil

Die Wahlergebnisse von 2016 erzielte sie in der politisch aufgeheizten Debatte um die Flüchtlinge. Fünf Jahre später geht die Partei in den ersten beiden westdeutschen Flächenländern zwar etwas gerupft, aber doch stabil in die zweite Legislatur. Das gelingt ihr trotz negativer Vorzeichen: Dazu gehören nicht nur Skandale, wie sie im Landtag zu beobachten waren. Seit Beginn der Coronakrise ist es der AfD nicht gelungen, einen stringenten Kurs zum Umgang mit der Pandemie zu finden – bis zum jetzigen Zeitpunkt sind sich Parteispitzen zum Beispiel uneins in der Unterstützung der Protestszene.

Hinzu kommt die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz, gegen die die AfD klagt – auch das schreckt viele Wähler nicht ab. Offensichtlich verfügt die AfD also über ein Kernwählerpotenzial von etwa zehn Prozent, das sie aus Überzeugung wählt. Die eigentliche Botschaft aus dem Südwesten lautet also eher: Die AfD wird bleiben.

Nächster Halt Magdeburg

Dabei stört die eigenen Anhänger offenkundig nicht einmal der schwelende interne Streit um den künftigen Kurs. Der Machtkampf zwischen dem Meuthen-Lager, das auf verbale Mäßigung und eine demonstrative Abgrenzung nach ganz rechts außen setzt, um mittelfristig koalitionsfähig zu werden, und den teils extrem rechten Kräften der Ost-Verbände wird offen ausgetragen. Die Strategen im völkischen Lager setzen auf die Verbindung zum Protestmilieu und Systemkritik, auf die Mobilisierung und Eroberung von Nichtwählern und darauf, die AfD zur „Partei des kleinen Mannes“ zu machen.

Der Kurs wird spätestens im Juni voraussichtlich eine weitere Stärkung erfahren. Dann steht die nächste Wahl an, diesmal in Sachsen-Anhalt. Hier wählte zuletzt fast jeder Vierte die AfD. Umfragen zufolge liegt die Partei etwa bei dieser Zustimmung – mit dem Unterschied, dass derzeit lediglich eine Viererkoalition gegen sie möglich wäre. Debatten über ein mögliches Verschwinden der AfD dürften nach dem Wahlsonntag von Magdeburg in weite Ferne rücken.