Mit Kies und Schotter auf dem Vorplatz und anderswo: Auf der 49. Art Basel, der bedeutendsten Kunstmesse der Welt, präsentieren bis zum Sonntag fast dreihundert Galerien Werke von rund 4000 Künstlerinnen und Künstlern.

Stuttgart - Ein Aushängeschild der Art Basel und von Fall zu Fall ein Emblem der jeweiligen Stimmungslage in der Kunstsphäre ist der für die wenigen Messetage im Juni Jahr für Jahr aufwendig gestaltete Platz vor den Messehallen. Ob eine turmhoch auftrumpfende Plastik von Paul McCarthy oder die futuristisch anmutenden Architekturwaben Oscar Tuazons – die Gestaltung ist zuverlässig spektakulär. Diesmal auch schon deshalb, weil sie mit Kunst auf den ersten Blick nichts zu tun hat. Denn der Messevorplatz erinnert momentan an ein – Kieswerk. Neben einer offenen Architektur, die mit ihren verwinkelten Bauelementen und Schrägen an Werkräume und Förderbänder denken lässt, sind riesige Kieshalden aufgeschüttet.

 

„Basilea“, das Projekt von Creative Time aus New York, ist aber mehr als eine raumgreifende Installation. Es umfasst Workshops, Events und weitere Veranstaltungen mit dem Ziel, ein Bewusstsein für Gestaltung im urbanen Raum zu schaffen. Offensichtlich will die Art Basel mit dem Projekt soziale Verantwortung demonstrieren – eine PR-Aktion, denn der alleinige Zweck der bedeutendsten Kunstmesse der Welt sind lukrative Geschäfte. Es geht ums Geld, vulgo: um Kies und Schotter. Hat das Unbewusste den Machern der Art einen Streich gespielt, als sie die Halden absegneten, die man als Sinnbild auch noch für etwas anderes als „unser extraktives Verhalten“ gegenüber der Umwelt betrachten könnte, als das die spanische Künstlerin Lara Almarcegui sie verstanden wissen will?

Man könnte die Art Basel, den größten Marktplatz für Kunst unter den Kunstmessen der Welt, als einen Gemischtwarenladen bezeichnen. Querbeet ist fast alles vorhanden, was das Sammlerherz begehrt, und für nahezu jeden Geldbeutel etwas dabei. Man könnte die Art aber auch das größte Museum auf Zeit nennen, geöffnet an wenigen Tagen im Juni. Bis Sonntag bieten 290 Galerien aus fünf Kontinenten Werke von rund 4000 Künstlerinnen und Künstlern von der Klassischen Moderne bis zur unmittelbaren Gegenwart zum Kauf an. Die Vielfalt auf engem Raum ist jedes Mal aufs Neue überwältigend.

Geheimniskrämerei um obszöne Summen

In diesem Jahr wurden bereits am ersten Tag zahlreiche Kunstwerke verkauft – am Stand der Galerie Ropac mit Niederlassungen in London, Paris, Salzburg ein Baselitz-Großformat für 750 000 Euro. Auch bei Luxembourg & Dayan aus London und New York zeigt der Daumen nach oben, allein schon in Gestalt eines übermannshohen Exemplars aus Eisen: Die Skulptur „Pouce“ des Nouveau Réaliste César kostet 550 000 Euro. Bei der Galerie Hopkins aus Paris wechselte Jean Dubuffets Collage „Esprit d’Automne“ aus herbstlichen Blättern auf Papier den Besitzer.

Den Preis wollte man am Stand nicht verraten – kein Einzelfall, auch andere Kunsthändler hielten sich in diesem Jahr bedeckt. Ein Zeichen schlechten Gewissens ob der obszönen Summen, die für Kunst im hochpreisigen Bereich bezahlt und erzielt werden? Die Stände auf der Art Basel sind trotz horrender Preise schon deshalb heiß begehrt, weil nicht wenige Galerien auf Messen einen Großteil des Jahresgeschäfts tätigen. Nicht umsonst haben sich 99 Prozent der Aussteller des Vorjahrs auch für 2018 wieder beworben. Nur wenige der diesjährigen Anbieter aus 35 Ländern sind neu: geschlossene Gesellschaft, man bleibt unter sich.

Ai Weiwei und der eiserne Baumstamm

Mit nicht weniger als 21 Werken von Egon Schiele im Gepäck ist die Galerie St. Etienne aus New York angereist. Die Preisspanne liegt zwischen 150 000 Dollar für eine Zeichnung und dreieinhalb Millionen Dollar für ein Ölbild kleineren Formats. Dazu wird Grafik von Gustav Klimt und Oskar Kokoschka sowie der deutschen Expressionisten angeboten. Druckgrafik von „Brücke“-Künstlern findet man bei Jörg Maaß aus Berlin, mitunter zu geradezu zivilen Preisen. Emil Noldes Holzschnitt „General und Diener“ (1906) etwa kostet günstige 7500 Euro. Am Stand von Neugerriemschneider aus Berlin liegt ein Baumstamm aus Eisen – eine Skulptur von Ai Weiwei, der auch in der Sektion Unlimited vertreten ist, wo Kunst, die die Dimensionen eines Messestands sprengt, zu sehen ist. Diesen Teil der Messe zu besuchen sollte man nicht versäumen. Der US-Amerikaner Robert Longo, bekannt für großformatige Bilder und Zeichnungen in Schwarz-Weiß, überrascht mit einer riesigen und beleuchteten Bronze-Kugel in einem dunklen Raum. Sieht man näher hin, erkennt man, dass sich „Death Star II“ aus Tausenden von Patronenhülsen einer großkalibrigen Waffe zusammensetzt.

Eine Videoinstallation von Rirkrit Tiravanija handelt von einem brennenden Autoreifen. „Angulo rojo“, eine neue Arbeit der Kubanerin Carmen Herrera, der wiederentdeckten Grande Dame der konkreten Kunst, ist, was der Titel verspricht: ein kolossaler roter Winkel aus bemaltem Aluminium. Ein Werk des 2003 verstorbenen Amerikaners Fred Sandback strukturiert mit zwischen Decke und Boden ausgespannten Acrylfäden einen ganzen Raum.

Die Art Statements bieten junge Kunst von jungen Galerien. Die Conversations warten mit interessanten Gesprächen auf; eine Veranstaltung wie die Diskussion dreier Künstlerinnen zum Thema „Sexism in the Art World“ durfte in Zeiten von MeToo nicht fehlen. Die Sektion Parcours mit über die Altstadt rund um den Münsterplatz verteilter Kunst bietet Werke von 23 Künstlern. Ein Highlight: die zehn Aufnahmen aus der Serie „Animals“ (2018) des Fotokünstlers Thomas Struth in einer stillgelegten Kirche am Picassoplatz. Ein anrührendes Memento mori, zeigen sie doch Tiere in ihrer Schönheit und Würde im Moment des Vergehens.