Bei der ARD weihnachtet es. Das erste deutsche Fernsehen und Arte wollen in der Weihnachtszeit mit den „Buddenbrooks“ glänzen.

Stuttgart - Wenn sich die Tür leise öffnet und der kleine Hanno Buddenbrook (Raban Bieling) die Krippe unter der festlich herausgeputzten Tanne entdeckt, wenn in der Stube der hochherrschaftlichen Villa seiner Familie das Feuer im Kamin flackert und draußen Schneeflöckchen zur Musik eines Streichorchesters tanzen, dann ist es soweit: Dann weihnachtet es im Ersten.

Die Familie sitzt satt und zufrieden vor dem Fernseher. Die Geschenke sind ausgepackt, und die Gans ist weitgehend verdaut. Und man verzeiht Heinrich Breloer, dem Erfinder des Dokudramas und dem Regisseur, der für seine präzise Zeichnung von Psychogrammen bekannt geworden ist, dass er der Versuchung erlegen ist, den Aufstieg und Fall der Lübecker Kaufmannsfamilie "Buddenbrook" als Kostümfilm zu inszenieren.

Denn es pilchert schon sehr in diesem 180 Minuten langen Zweiteiler, den die ARD am 27. und 28. Dezember, jeweils um 20.15 Uhr, und Arte schon am Mittwoch (22. Dezember), und zwar am Stück, den Zuschauern zeigt – zum ersten Mal in der vierzig Minuten längeren Originalfassung. Aber das passt gut in die ach, so besinnliche Zeit.

Man neigt dazu, von einem Kostümschinken zu sprechen


Backenbärtige Männer in blütenweißen Rüschenhemden, Frauen in knisternden Ballkleidern und mit frisch ondulierten Haaren, die mittelalterliche Puppenstubenidylle der Lübecker Altstadt mit ihrem Holstentor – all dies erzählt von der Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Familie noch wie ein Fels in der Brandung einer Welt steht, die immer unüberschaubarer wird. Dazu ein ebenso grausamer wie gütiger Patriarch (Armin Müller-Stahl), dem sich die Sippe bedingungslos unterordnet, egal, ob er das private Glück seiner Tochter Toni (Jessica Schwarz) durch die Hochzeit mit dem betuchten, aber kleinkarierten Geschäftsmann Grünlich aufs Spiel setzt, oder ob er seinem Sohn Christian (August Diehl) nüchtern mitteilt: "Du bist eine ungesunde Stelle am Körper unserer Familie."

Das sind die Ingredienzen dieses "Director's Cut", von dem der ARD-Programmdirektor Volker Herres sagt, es sei ein großes Geschenk des Ersten an seine Zuschauer. Die Freude darüber dürfte sich zumindest bei den Cineasten in Grenzen halten. Viele kennen schon die straffere Fassung, die Weihnachten 2008 in den deutschen Kinos lief und immerhin mehr als 1,3 Millionen Zuschauer erreichte.

Man ist geneigt, von einem Kostümschinken zu sprechen. Der Film verschlang über 16 Millionen Euro. Es war die teuerste deutsche Produktion nach Wolfgang Petersens Kriegsfilm "Das Boot" (1981). Doch der mehrfache Grimme-Preisträger Heinrich Breloer musste sich den Vorwurf gefallen lassen, großes Kino sei das eben nicht. Die Bilder (Kamera: Gernot Roll) seien zwar schön anzusehen, sie wirkten aber zugleich merkwürdig blutleer. Sogar ein begnadeter Schauspieler wie Armin Müller-Strahl agiere in dem prominent besetzten Ensemble hölzern wie ein Nussknacker.

Iris Berben guckt wie immer: gelangweilt


Schuld daran sei die Regie. Breloers Blick sei eben von den Konventionen des Fernsehens geprägt. Er erzähle Geschichten lieber nach, statt sie selber zu inszenieren. Das Drama der Romanfiguren von Thomas Mann spiele sich im Inneren ab. Sie seien hin und her gerissen zwischen Pflicht und Leidenschaft. Breloers Regie lasse ihnen aber kaum Raum, diesen Konflikt wenigstens anzudeuten. "So wird der Kinosessel zur TV-Couch", bilanzierte die Wochenzeitung "Die Zeit".

Heißt das im Umkehrschluss, die dreistündige Fernsehfassung eröffne dem Zuschauer neue Einblicke in einen Roman, mit dem Deutschlehrer Generationen von Schülern gequält haben?

Der Regisseur Heinrich Breloer jedenfalls ist davon überzeugt. Er sagt, seine Charaktere hätten "auf der langen Strecke im Fernsehen mehr Raum zum Leben und zum Sterben." Wohl wahr: im Kino bricht der alte Konsul Buddenbrook mitten in einem Gewitter mit einem Herzinfarkt zusammen. Aus, Schluss, vorbei. In der Fernsehfassung darf seine Frau Bethsy (Iris Berben) immerhin noch tapfer die Zähne zusammenbeißen, bevor ihr Gesicht unter einem Witwenschleier verschwindet. Eine dramatische Wendung erfährt die Geschichte damit aber nicht. Iris Berben guckt, wie sie in jeder Rolle guckt. Irgendwie gelangweilt.

Termine


Arte, Mittwoch (22. Dezember), 20.15 Uhr; ARD, 27. und 28. Dezember, jeweils 20.15 Uhr