Russland ist Drahtzieher in der Ostukraine. Davon ist die EU überzeugt. Noch ist aber kein Wirtschaftsembargo beschlossen.

Brüssel - Die rote Linie hatte der EU-Gipfel Anfang März für diplomatische Verhältnisse ziemlich genau definiert. „Weitere Schritte seitens der Russischen Föderation zur Destabilisierung der Lage in der Ukraine“, vereinbarten die Staats- und Regierungschefs, als sich die Einverleibung der Krim durch Moskau abzeichnete, würden „weitreichende Folgen für die Beziehungen“ zwischen der Gemeinschaft und Russland „in einer Reihe von Wirtschaftsbereichen haben“. Auf Nachfrage stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel damals klar, dass damit dezidiert der Osten der Ukraine gemeint war.

 

Nach den jüngsten Ereignissen dort war es am Montag Aufgabe der in Luxemburg tagenden EU-Außenminister festzustellen, ob damit nun die Bedingungen für Wirtschaftssanktionen gegen Russland gegeben sind. Die Antworten der Minister fielen nur in der Tonlage unterschiedlich aus. Für den britischen Chefdiplomaten William Hague gab es „nicht den Hauch eines Zweifels daran, dass diese Ereignisse von Russland geplant und herbeigeführt worden sind“. Dafür seien die prorussischen Milizen in Städten wie Donezk zu gut ausgebildet, ausgestattet und organisiert“, sagte er. Man sei „Zeuge einer externen Aggression“, urteilte der litauische Außenminister Linus Linkevicius. Selbst Vertreter von Staaten, die bei Sanktionen ökonomische Vergeltungsschläge Moskaus befürchten, versuchten nicht, die Vorkommnisse klein zu reden. „Das ist ein Déjà-Vu“, so Luxemburgs Minister Jean Asselborn. Der Niederländer Frans Timmermans meinte, das Geschehen sei „sehr ähnlich dem, was wir auf der Krim gesehen haben.“ Mit Blick auf den Drahtzieher erklärte er: „Wenn es aussieht wie ein Pferd und wenn es geht wie ein Pferd, ist es üblicherweise ein Pferd und kein Zebra.“

Hilfsgelder und Zollerleichterungen

Trotz klarer Lagebewertung wurden keine Wirtschaftssanktionen beschlossen, die von der EU-Kommission vorbereitet sind und zuerst Rüstungsexporte sowie Finanzdienstleistungen betreffen sollen. Die Außenminister setzten lediglich weitere Personen auf die Liste derer, die nicht mehr in die EU einreisen und kein Geld mehr von ihren europäischen Konten abheben dürfen. Zudem wurden Hilfsgelder und Zollerleichterungen für die Ukraine freigegeben sowie eine Expertengruppe in Marsch gesetzt, die eine EU-Polizeimission in der Ukraine vorbereitet, die Kiews Regierung angefragt haben soll. Nur das für diesen Fall angedrohte Wirtschaftsembargo beschloss die Runde nicht.

Grund ist das erste Treffen der sogenannten Kontaktgruppe am Donnerstag in Genf. Dass sich Russlands Außenminister Sergei Lawrow mit der EU, den USA und vor allem Kiews Regierung an einen Tisch setzen will, nannte der deutsche Staatsminister Michael Roth (SPD), „einen ersten richtigen Schritt in die richtige Richtung“. Schnelle Wirtschaftssanktionen sollten eine politische Lösung nicht vereiteln. „Nichts ist derzeit wichtiger, als mit konstruktiven Vorschlägen nach Genf zu kommen“, sagte Asselborn: „Alles andere ist Nebensache.“

Scheitert die Genfer Konferenz?

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton holte sich dafür von den Ministern ein Verhandlungsmandat. Diplomaten zufolge gehört dazu auch, dass die Europäer ein von Kiew ins Spiel gebrachtes Referendum für die Ukraine unterstützen und überwachen könnte. Von Russland wird gefordert, den parlamentarischen Vorratsbeschluss für eine militärische Intervention in der Ukraine zurückzunehmen und Truppen entlang der Grenze zurückzuziehen. Sollte die Genfer Konferenz aber scheitern, dürften die ersten Wirtschaftssanktionen bald folgen. „Wenn Russland eskaliert“, sagt Schwedens Außenminister Carl Bildt, „dann eskalieren wir auch.“