Wer wird Stuttgarts erste*r Nachtmanager*in? Die Jury hat gesprochen: Drei Nachteulen sind übrig im Rennen um den ersten Job dieser Art in der Stadt. Wir stellen sie im Stadtkind-Schnellcheck vor.

Stuttgart – Übel: Erster Tag im neuen Job, und dann gleich mal eine Pandemie auf dem Tisch. Eins ist sicher: Wer auch immer das Rennen um den Job des Nachtmanagers in Stuttgart macht, wird gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit mit ordentlich Problemen zu tun haben, die weit über die üblichen Schwierigkeiten im Nachtleben hinausgehen.

 

Stuttgarts Clubs sind seit fast einem Jahr geschlossen, viele stehen vor dem Ruin. Und selbst wenn sie wieder öffnen dürfen: Wie bekommen wir zukünftig Anwohner, Party People, Politik und Sicherheit unter einen Hut? Bei einem Event im Wizemann wurden vergangenen Samstag die drei Finalist*innen im Rennen um Stuttgarts erste*n Nachtmanager*in verkündet. Wir haben ihnen mal auf den Zahl gefühlt.

Maha Shoukri

Alter: 42

„Ich wünsche mir ein Stuttgart mit einer mutigen kulturellen Identität“

Wo hat man dich schon mal gesehen? Mein erster Stammladen war Paul‘s Boutique. Als gebürtige Stuttgarterin bin ich in und mit dem Stuttgarter Nachtleben aufgewachsen. Man kennt mich aus dem damaligen Switzerland, dem Deli, P-Club, den Events des 0711 Büros oder als DJane aus der Eventreihe Soul Glow.

Was zeichnet eine*n Nachtmanager*in aus? Man ist Botschafter*in, der/die auf vielen Ebenen agiert: Man fördert eine Kultur der Zusammenarbeit aller Beteiligten im Nachtleben. Man bündelt die Interessen, Ideen und Herausforderungen der verschiedenen Akteure und unterstützt bei der Entwicklung von Konzepten. Man begleitet die Strategie hinsichtlich Standortentwicklung und ist als Repräsentantin der Nacht auch Ansprechpartnerin – für die Öffentlichkeit und für die, deren Stimme sonst nicht gehört wird. Um diesen Job erfolgreich zu meistern, muss man gut zuhören können, die richtigen Fragen stellen, analytisch denken, effektiv kommunizieren und wissen, wie man Strukturen und Prozesse auf- und ausbaut.

Skizziere das Stuttgarter Nachtleben aus deiner Sicht: Stuttgarts Nachtleben ist vielfältig, kompakt und wir können stolz sein auf unsere coolen Locations, kreativen Macher*innen und Künstler*innen. Die Stuttgarter Nachtkultur erschließt sich einem nicht auf den ersten Blick, aber wer sucht, der findet. Die Verfügbarkeit und Nutzungsmöglichkeit von Locations hat das Angebot und damit die Ausgehkultur verändert: Die Theo-Ausgehmeile auf der einen Seite, kleinere, schicke Bars mit guten Cocktails und netter Musik auf der anderen Seite. Und dazwischen einige alternative Rebellen der Nachtkultur, die tapfer die Stellung halten. Wollen wir ein vielfältiges und lebendiges Nachtleben erhalten, dann müssen wir unseren Kulturschaffenden aber unbedingt Räume bieten und derzeitige Nutzungsbedingungen auf den Prüfstand stellen. Ich wünsche mir ein Stuttgart mit einer mutigen und selbstbewussten kulturellen Identität – bei Tag und bei Nacht.

Claudia Queschning

Alter: 44

„Die Stadt sind wir alle zusammen“

Wo hat man dich schon mal gesehen? Ich habe 2004 im alten Schocken angefangen und dort zwölf Jahre lang gearbeitet. In dieser Zeit habe ich die Stadt und die Menschen hier kennengelernt. Seit bald vier Jahren arbeite ich im White Noise. Privat bin ich früher häufig in der Röhre und im alten Rocker 33 gewesen. Im Universum und im Goldmark‘s war ich auch oft bei richtig guten Konzerten und Partys, im Roundabout gab‘s außerdem tolle Partys.

Was zeichnet eine*n Nachtmanager*in aus? Der Job bietet die Möglichkeit, Schnittstellen und Begegnungen herzustellen, lösungsorientierte Kommunikation zu fördern und die hohe Relevanz der Nachtökonomie für alle sichtbar zu machen. Der Mensch, der diese Position ausfüllen wird, sollte mit soviel Objektivität wie möglich zu Werke gehen und auch Eisen anpacken, die bisher noch keiner anfassen konnte, Bewegung ins System bringen und dazu beitragen, dass alle auf Augenhöhe miteinander sprechen.

Skizziere das Stuttgarter Nachtleben aus deiner Sicht: Stuttgarts Nachtleben ist wahnsinnig bunt und hält für fast jeden Geschmack etwas bereit. Leider verschwinden immer öfter etablierte Locations. Es wird immer schwieriger, in der Stadt Platz für eine differenzierte Nachtkultur zu finden. Und die braucht Stuttgart ganz dringend. Mir fehlen noch mehr alternative Angebote zum Trinken oder Feiern: Bars, Kneipen oder Clubs, die abbilden und aufzeigen, wie bunt unsere Stadtgesellschaft ist. Und wir brauchen noch mehr Veranstaltungen, die den Stadtraum für alle Menschen nutzbar und erfahrbar machen, zum Beispiel mit Festivals, Open-Air-Kinos, Theater und Konzerten im öffentlichen Raum – gemeinsam gedacht und geplant mit den Menschen, den Anwohnern, den Veranstaltern. Die Stadt sind wir alle zusammen.

Nils Runge

Alter: 32

„Die Menschen hier sind das Besondere“

Wo hat man dich schon mal gesehen? Am ehesten beim Contain‘t. Meine ersten Berührungspunkte vor rund 15 Jahren waren das Universum, das Zapata und die Röhre. Damals habe ich noch nicht in Stuttgart gelebt, bin aber sehr gerne zu Veranstaltungen in die Stadt gekommen. Seit ich in hier lebe, habe ich viele Berührungspunkte mit der Nacht: als Anwohner, als Gast, als DJ und Veranstalter – unter anderem bei United We Stream Stuttgart, Waldtraut Lichter, der IG Clubkultur Baden-Württemberg oder Leirum & Slin.

Was zeichnet eine*n Nachtmanager*in aus? Für mich hat die Nachtleben drei Dimensionen – eine kulturelle, eine soziale und eine ökonomische. Es ist essentiell, hier gemeinsam mit allen Akteur*innen Konzepte zu entwickeln, die bedarfsgerecht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Austausch und Kommunikation sind dabei besonders wichtig. Ich sehe den oder die Nachtmanager*in als Moderator*in und Innovator*in. Vieles muss neu erarbeitet und abgewägt werden, daher sollten Organisationstalent, Neutralität, Offenheit, Empathie und Szeneaffinität vorhanden sein.

Skizziere das Stuttgarter Nachtleben aus deiner Sicht: Die Menschen hier sind das Besondere: Stuttgart ist in meinen Augen lange nicht so anonym wie andere Großstädte. Hinzu kommt, dass man hier noch experimentieren kann, weil hier viel Entwicklungspotenzial schlummert. Natürlich ist es sehr schade, dass wir in den letzten Jahren wunderbare Orte verloren haben. Trotzdem sind tolle neue Orte entstanden. Häufig wird Veränderung nur als etwas Negatives angesehen, doch ich denke, wir müssen die Chance ergreifen und das Nachtleben in den stadtplanerischen Kontext rücken – Maker City, Schöttle Areal, IBM und Züblin Parkhaus... das alles können Chancen sein. Der politische Stellenwert von Nachtkultur ist da sicher noch ein großes Problem, auch wenn langsam ein besseres Verständnis entsteht. Außerdem fehlen in meinen Augen kleinere Konzertvenues, alternative „subkulturelle“ Angebote und Open-Airs.