Bei der Firma OSG ist zurzeit das Modell eines Mikrosatelliten zu sehen, dessen Original im nächsten Jahr ins Orbit geschossen soll. Der „Idea OSG 1“ könnte erstmals halbwegs verlässliche Zahlen liefern, wie viel Müll durch den Weltraum fliegt.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Märklin steht für Modelleisenbahnen, Schuler für Pressen und Kleemann für Steinbrecher-Anlagen: Von den meisten in Göppingen ansässigen Unternehmen ist weithin bekannt, womit sie ihr Geld verdienen. An der Firma OSG im Stauferpark, nur gut einen Steinwurf vom Kleemann-Areal entfernt, fahren hingegen viele Leute mit einem fragenden Gesichtsausdruck vorbei, weil selbst den nächsten Nachbarn zum einen nicht klar ist, was sich hinter der Abkürzung OSG verbirgt und zum anderen auch nicht, womit man sich dort beschäftigt.

 

Das dürfte sich nicht zuletzt deshalb ändern, weil der „Idea OSG 1“ im nächsten Jahr in die Luft gehen soll und damit eine gehörige Portion an Aufmerksamkeit erregen dürfte. Zurzeit ist ein maßstabsgetreues Modell des Mikrosatelliten in den Göppinger Geschäftsräumen der Osawa Screw Grinding (OSG) zu sehen. Der eher unscheinbare Kasten wird 2018 von einer russischen Sojus-2-Rakete ins All gebracht. Vollgepackt mit Sensoren und Übertragungsmodulen soll die Box dann erstmals halbwegs verlässliche Daten liefern, wie viel Schrott unkontrolliert durch den Weltraum fliegt. Dazu werden die Einschläge von Kleinteilen auf der Membran des Satelliten erfasst. „Alles, was da bis jetzt so an Zahlen bekannt ist, basiert auf Schätzungen“, erklärt Oliver Schunter, der Prokurist der Göppinger OSG-Dependance, die zugleich als Deutschland-Zentrale des japanischen Unternehmens dient.

Für den Space Sweeper wird mit Astroscale kooperiert

Dass dieses Projekt für die Firma etwas Besonderheit darstellt, ist dabei keine Frage. Für gewöhnlich fertigt die OSG, die weltweit einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro macht, Spezialwerkzeuge für den Automotive-Bereich, für die Medizintechnik sowie für den Werkzeug- und Formenbau, aber eben auch für die Luft- und Raumfahrt an. Für die Konstruktion, die Herstellung und die Ausstattung des 22 Kilogramm schweren sogenannten Space Sweeper wurde allerdings eine eigene Gesellschaft, eben die OSG Idea gegründet. Diese wird von Jiro Osawa geleitet, dessen Großvater die OSG 1938 gegründet hat, und kooperiert dabei direkt mit dem in Singapur beheimateten Weltraumunternehmen Astroscale. In Göppingen leitet Yasushi Suzuki die Geschäfte der OSG.

Der 53-Jährige stammt aus Toyokawa auf der japanischen Hauptinsel Honsh, wo sich auch der OSG-Stammsitz befindet, und ist zufrieden, dass für die Europageschäfte die Hohenstaufenstadt als Standort ausgeguckt wurde. „Unsere Geschäftsführung hat sich entschieden, möglichst nah zu den Kunden zu gehen und davon sitzen viele in Baden-Württemberg“, sagt Suzuki. Im Stauferpark seien die Bedingungen sehr gut, fügt er hinzu. „Zumal wir hier die Möglichkeit haben, weiter zu wachsen.“

Auf Wachstumskurs im Stauferpark

Dies wiederum hat die OSG bereits getan. 2013 wurde in Göppingen mit 40 Beschäftigten begonnen. Zurzeit sind es 70 Mitarbeiter, und nachdem erst jüngst ein neues Firmengebäude mitsamt hochmodernem Schulungszentrum eröffnet werden konnte, sollen es bis zum Jahresende um die 100 Mitarbeiter sein. „Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, der Wirtschaftsförderung und der Stauferpark-Gesellschaft funktioniert ausgezeichnet“, betont Suzuki. Das sei nicht selbstverständlich, zumal für ihn als Japaner manche geschäftlichen Abläufe schwierig nachzuvollziehen seien, ergänzt er.

Klagen wollen deshalb aber weder der Geschäftsführer noch seine rechte Hand. „Wir versuchen die Vorteile von deutscher wie von japanischer Seite zusammenzuführen“, erklären Suzuki und Schunter unisono. So gibt es nicht nur eine Zusammenarbeit mit etlichen anderen alteingesessenen Maschinenbauern aus der Region Stuttgart. Im Tagesgeschäft im Stauferpark wird, trotz der international durchmischten Belegschaft, die sich aus Experten verschiedener Branchen zusammensetzt, in erster Linie deutsch gesprochen.

Stehen allerdings Besprechungen oder Video-Meetings mit Japan an, zum Beispiel wegen des Space-Sweepers, ist die Konferenzsprache englisch – ganz so wie im All. Komplett ohne japanisch geht es denn aber auch im Göppinger Stauferpark nicht ab, zumindest nicht auf der Geschäftsführungsebene. Das Lächeln von Yasushi Suzuki wird für einen Moment noch ein bisschen breiter, als es ohnehin schon ist: „Herr Schunter muss einmal in der Woche zum Sprachunterricht.“

Jede Menge Schrott im All

Schätzungen

Dass gegen die Vermüllung des Weltalls etwas getan werden muss, darin sind sich die Fachleute einig. Allzu viel passiert ist in dieser Hinsicht aber noch nicht. So gibt es bis dato noch nicht einmal halbwegs verlässliche Zahlen, wie viel Schrott im Orbit unterwegs ist. Die Nasa schätzt, dass es allein 500 000 Teile mit mehr als einem Zentimeter Durchmesser sind. Die Europäische Weltraumagentur Esa geht sogar von mindestens 700 000 Teilen dieser Größe aus Metall oder Kunststoff aus.

Zerstörungen

Ganz gleich, aus welchem Material der Weltraummüll auch ist, bei Geschwindigkeiten von sieben Kilometern pro Sekunde, wird praktisch jeder feste Körper – und sei er noch so klein – zum Geschoss. Gefährdet sind dadurch neben Sonden und Satelliten, etwa für die Datenübertragung zur Navigation oder die Wettervorhersage, auch bemannte und unbemannte Kapseln. So hat im vergangenen Jahr ein winziges Teilchen ein Fenster der internationalen Weltraumstation ISS demoliert.