Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel hat keine Lust auf Formel-1-Rennen ohne Publikum – dabei ist noch gar nicht sicher, wann es losgeht.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Während Sebastian Vettel in seinem umgebauten Bauernhof in der Nordschweiz an seinem klassischen Motorrad herumschraubt, sind seine jüngeren Formel-1-Kollegen damit beschäftigt, virtuelle Rennen gegeneinander zu fahren. Da Vettel zu den letzten echten Motorsport-Puristen zählt, die am liebsten mit saufenden Zwölfzylindern über die Pisten donnern würden, kann er mit dem Computer-Unfug von heute nicht viel anfangen. Auch die Vorstellung an Geisterrennen, die wegen der Corona-Krise immer wahrscheinlicher werden, ist ihm ein Graus. „Ein Rennen ohne Zuschauer ist fad und nicht richtig“, sagt der Heppenheimer, der es wohl kaum erwarten kann, bis er seine gute alte Formel 1 wieder so zurückbekommt, wie er sie kennt.

 

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Das aber wird noch dauern – und die große Krise frisst langsam, aber sicher den Terminkalender auf. Inzwischen sind die ersten neun Grand-Prix-Termine abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Wenn das so weitergeht, fällt die Saison noch ins Wasser. Stramme 22 Rennen waren geplant. Am Ende werden sie wohl froh sein, wenn sie acht Veranstaltungen über die Bühne kriegen, denn das ist die Mindestanzahl, um aus der Corona-Saison noch eine WM-Saison zu machen. Bei sieben Rennen gibt es keine Wertung – und damit auch keinen Weltmeister. Das wäre vor allem ärgerlich für den Mercedes-Piloten Lewis Hamilton, der den WM-Rekord von Michael Schumacher jagt, aber im Herbst seiner Karriere auch nicht jünger wird. Der 35 Jahre alte Engländer steht bei sechs Titeln, Schumacher setzte sich siebenmal die Krone auf.

Das absolute Horrorszenario

So schwarz muss man noch nicht sehen, doch solch ein Horrorszenario spukt natürlich in den Köpfen herum. Der letzte Stand der Dinge ist, dass der Ende Juni geplante Große Preis von Frankreich als Saisonstart gewaltig wackelt, seit Staatspräsident Emmanuel Macron sämtliche Großereignisse bis Mitte Juli verboten hat. Nun hoffen sie wenigstens auf den Großen Preis von Österreich am 5. Juli, zumal in der Alpenrepublik die bislang strikten Corona-Verordnungen gelockert wurden.

Allerdings fände die Veranstaltung dann nur als Geisterrennen ohne Publikum statt – so wie auch der folgende Große Preis von Großbritannien in Silverstone. Doch all die Gedankenspiele sind nur mit einem riesigen Fragezeichen versehen. Der vorläufige Plan sei den Teams von den Formel-1-Chefs in einer Onlinekonferenz vorgestellt worden. Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen, hieß es – sich in diesen Zeiten festzulegen, mach keinen Sinn. Vom Großen Preis von Belgien in Spa, der erst Ende August im Terminkalender platziert ist, haben sich die Veranstalter zum geplanten Zeitpunkt dagegen schon verabschiedet.

Der Kampf um die Kostensenkung

Man solle keine Schnellschüsse machen und zunächst die weitere Entwicklung der Pandemie abwarten, erzählte Sebastian Vettel in einer seiner Schrauberpausen. Er hofft noch auf Rennen vor Publikum, weil er sagt: „Es ist auch im Fernsehen nicht das Gleiche, wenn man keine Zuschauer vor Ort hat.“ Zu bestimmen hat der viermalige Weltmeister die Marschroute am Ende natürlich nicht.

Die Renn-freie Zeit wird derweil dazu genutzt, die Formel 1 möglicherweise zu revolutionieren – im Mittelpunkt der Diskussionen steht der Plan, im nächsten Jahr eine Obergrenze von 145 Millionen Dollar festzulegen und sie bis 2022 auf 130 Millionen zu senken. Vor allem die kleinen Teams wollen die für 2021 festgelegten 175 Millionen Dollar pro Saison deutlich reduzieren. Gegen diese Pläne ist vor allem Ferrari, das ist das Old-School-Team des Old-School-Piloten Sebastian Vettel.