Die Harlem Globetrotters sind eine spektakuläre Basketball-Showtruppe. Ihre Geschichte ist lang und aufregend. Unser Autor Oskar Beck erzählt sie.

Stuttgart - Es gibt nichts Schöneres, als Fan der Harlem Globetrotters zu sein – denn sie verlieren nie.

 

Oder fast nie.

Noch heute schämen sie sich für die Schande vor 48 Jahren. Vermutlich waren sie in der Nacht vor dem Spiel übel versackt, jedenfalls unterlagen sie den Washington Generals mit 99:100. Louis („Red“) Klotz hieß der Spielverderber, er machte den entscheidenden Punkt. „Die Zuschauer schauten uns an“, erinnerte sich der Stimmungstöter noch Jahre danach, „als hätten wir gerade den Weihnachtsmann umgebracht.“ Es wird sogar von Kindern berichtet, die auf den Rängen weinten.

Sicherheitshalber bringen Globetrotters ihre Gegner seither mit, als Prügelknaben zum Veräppeln. Sie zupfen ihnen dann im Vorbeidribbeln schnell mal die Hosen herunter. Die Zirkustruppe des Basketballs verbindet den Sport mit der Show, ihre Akrobaten begeistern mit krachenden Dunks und Slapsticknummern, und manchmal stützt sich einer auf den Schultern des Schiedsrichters ab und haut den Ball aus luftiger Höhe in den Korb.

So amüsant wie 1951 wird es nie wieder

„World Tour 2019“ nennt sich die momentane Rundreise der US-Tingelartisten, und diesen Freitag gastieren sie mit ihren Tricks und Hexereien in der Stuttgarter Porsche-Arena. Aber amüsant wie am 22. August 1951 wird es nie wieder – denn damals haben die Globetrotters auch noch Jesse Owens bei Halbzeit aus einem Hubschrauber über dem Anstoßkreis des Berliner Olympiastadions abgeworfen.

Nein, keine Angst, das war jetzt ein Scherz. Der einstmals berühmteste Sportler der Welt hat sich nichts gebrochen an jenem historischen Tag, in Wahrheit ist er nach der Landung unverletzt ausgestiegen – und 75 000 Berliner riefen begeistert seinen Namen.

Sie kannten ihn. Er war ja, wie später Kennedy, so gut wie ein Berliner. 1936 hatte Jesse Owens als Lichtgestalt der Olympischen Sommerspiele viermal Gold gewonnen und Adolf Hitler dabei so durcheinandergebracht, dass der völlig vergaß, den farbigen US-Boy wie ein paar andere Sieger in der Führerloge zu empfangen. Umso mehr jubelte das Stadion. Und jetzt, bei seiner Rückkehr, wieder. 75 052 Zuschauer. Die größte Menschenmasse, vor der jemals Basketball gespielt worden war. Und wieder war die Politik im Spiel.

Basketballer in der Rolle der Clowns

Die Show wurde zur Waffe. Der Krieg war vorbei, dafür tobte nun der Kalte Krieg. Und so, wie die Amerikaner während der Blockade Berlins durch die sowjetische Besatzungsmacht über die Luftbrücke im Westen der geteilten Stadt aus ihren Rosinenbombern die Carepakete abgeworfen hatten, warfen sie im Rahmen der Propagandakampagne jetzt die Harlem Globetrotters und Jesse Owens ab, um der Welt zu zeigen, dass Kapitalismus lustiger ist als Kommunismus.

Clowns mussten her. Clowns lassen die Menschen lachen. Die Ankunft eines Clowns, fand einmal ein englischer Heilkundler heraus, ist für die Gesundheit einer Stadt wertvoller als dreißig mit Medikamenten beladene Esel. Schicken wir den Berlinern also unsere besten Clowns, sagte US-Präsident Dwight D. Eisenhower, und Außenminister Dean Acheson schickte die Harlem Globetrotters los als „Botschafter des guten Willens“ und „Missionare der guten Laune“.

Die Menschen wollen lachen, und die Berliner wollten es damals besonders. Sechs Jahre nach dem Krieg war ihre Freude über eine Schachtel Pralinen nur halb so groß wie die über eine Eintrittskarte zu Owens und seinen Spaßvögeln. Um die Zauberer auf dem kleinen Spielfeld noch halbwegs zu erkennen, nahmen die Zuschauer auf den oberen Rängen ihr Opernglas mit, sofern sie es auf dem Schwarzmarkt der Stunde Null nicht eingetauscht hatten gegen zwei Päckchen Chesterfield, drei Briketts oder vier Chewing Gums.

Das Team durfte nicht in der Liga spielen

Die Berliner waren hungrig nach Spaß – und die Harlem Globetrotters das Maß aller Dinge.

Abe Saperstein, ein pfiffiger Geschäftsmann aus Chicago, hatte das Team um die Jahreswende 1926/27 gegründet, als afro-amerikanische Zaubertruppe in der weißen Zeit des Sports. 1926 durchschwamm die Olympiasiegerin Gertrude Ederle, die Tochter eines ausgewanderten Metzgermeisters aus Bissingen unter der Teck, als erste Frau den Ärmelkanal. 1927 überflog Charles Lindbergh ohne Zwischenlandung den Atlantik von New York nach Paris. Und Jack Dempsey schlug in einem der ersten Jahrhundertkämpfe im Schwergewicht Gene Tunney. Die Helden waren alle weiß.

Auch Basketball war weiß. Für Zauberer mit der anderen Hautfarbe blieben nur die Harlem Globetrotters. Sie waren die Besten, Ende der 40-er Jahre besiegten sie die amtierenden US-Meister, die Minneapolis Lakers, mitspielen durften sie in der Liga aber nicht. Also vertrieben sie sich die Zeit damit, als Zirkus um die Welt zu fliegen, und sie spielten, wo immer sie willkommen waren, auf breiten Straßen und in Stierkampfarenen. Oder vor 75 000 in Berlin.

Ihr Star hieß Marques Haynes. „Ehrfurchterregend“ sei alles gewesen, sagte er später, auch die Hubschrauber, die über dem Stadion kreisten – womöglich in Erwartung von Störmanövern, denn den Russen jenseits des Checkpoints Charlie missfiel, dass die Amerikaner in Westberlin ihre vergnügliche Show abzogen, während es für die Ostberliner schon keine Bananen mehr gab. Als dann Jesse Owens einem der Hubschrauber entstieg, beschlug es den Zuschauern vor Rührung die Brille. Minutenlang wurde der ehemalige Leichtathlet gefeiert, und in einer Biografie hat Owens erzählt, wie ein blonder Bub mit einem Foto kam und ihn um ein Autogramm bat. Das Foto zeigte den im Krieg gefallenen Luz Long, mit dem sich Owens während des Weitsprungduells um die Goldmedaille anno 1936 angefreundet hatte – und der Bub war Karl Long, der Sohn des Toten.

Auch Chamberlain war ein Globetrotter

Es war ein großer Tag in Berlin, und für die Globetrotters ging es danach bergauf. Nathaniel („Sweetwater“) Clifton, einer ihrer Stars, unterschrieb als erster Farbiger bei den New York Knicks einen NBA-Vertrag. Und Wilt Chamberlain, auch ein Globetrotter, wurde später zu einem der Größten des Basketballs. Wenn LeBron James, einer der heutigen NBA-Könige, sich gelegentlich zum Allerbesten erklärt, spottet Kareem Abdul-Jabbar, das Denkmal der Los Angeles Lakers, gerne: „Erst wenn LeBron pro Spiel im Schnitt 55 Punkte macht wie einst Wilt Chamberlain, höre ich ihm zu.“

Die NBA mit ihren afro-amerikanischen Überfliegern ist heute das Nonplusultra des Basketballs, und die Globetrotters sind nur noch der kleine Zirkus, der im Schatten des großen durch die Welt zieht. Aber noch immer zaubert er den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Unter den Ehrenmitgliedern finden sich zwei Päpste und Nelson Mandela, und Magic Johnson, der alte Basketballheld der Lakers, hat einen mit einem Dollar dotierten lebenslangen Vertrag bei ihnen unterzeichnet. Auch Lionel Messi hat sich von den Harlem Globetrotters traden lassen. Aber zum Mitspielen ist der Argentinier zu klein, sie könnten ihn höchstens bei Halbzeit aus dem Hubschrauber abwerfen.

Drei Dinge kann den Harlem Globetrotters jedenfalls keiner mehr nehmen: Sie sind einer von nur einer Handvoll Clubs in der „Hall of Fame“ des Basketballs, haben ihre Fußspuren hinterlassen mit einem Stern im „Walk of Fame“ in Hollywood – und waren die einzigen fröhlichen Clowns in der Geschichte des Kalten Kriegs.