Vielfalt war Trumpf beim wichtigsten Fernsehpreis der Welt in Los Angeles. Zu den Gewinnern gehören Frauen und ihre Themen, ausgezeichnet wurden unter anderen Nicole Kidman, Elisabeth Moss und Julia Louis-Dreyfus.

Los Angeles - Neulich noch war Sean Spicer Sprecher im Weißen Haus und verkündete Donald Trumps Einreiseverbot für Moslems. Nun stand er in der Nacht zu Montag überraschend auf der Bühne bei der Emmy-Verleihung und löste Empörung aus – die US-Unterhaltungsbranche ist ein Hort des liberalen Amerika. Selbiges erinnerte Spicers selbstironischer Auftritt daran, dass es Trump half, indem es ihm viel Aufmerksamkeit zukommen ließ. Gleich drei Parodisten der altgedienten Comedyshow „Saturday Night Live“ (NBC) bekamen verdient Emmys: Alec Baldwin als Trump, Kate McKinnon als Hillary Clinton – und Melissa McCarthy als Sean Spicer.

 

Den Rest des Abends über feierten Verfechter eines friedlichen Miteinanders in einer pluralen Gesellschaft spektakuläre Werke, Qualitätsserien vor allem, die heutigen Pulsmesser der Gegenwart. Um Wohlstandselend dreht sich die beste Miniserie „Big Little Lies“ (HBO), insgesamt ausgezeichnet mit sechs Emmys. Als Produzentin und Hauptdarstellerin fungiert neben Reese Witherspoon eine wiedererstarkte Nicole Kidman. Sie gibt im intensiven Zusammenspiel mit Alexander Skarsgård eine misshandelte Schönheit in einer zerstörerischen Beziehung zu einem Schläger. Beide haben ihre Emmys verdient für diese schmerzhafte Ausbuchstabierung häuslicher Gewalt – genau wie Laura Dern, die als gnadenlose Cholerikerin brilliert.

Ein glückloser Princeton-Abbrecher treibt durchs Dasein

Um Frauen geht es auch im mit acht Emmys bedachten Seriendrama „A Handmaid’s Tale“ (Hulu) nach einem Roman von Margaret Atwood, an dem sich schon Volker Schlöndorff („Die Geschichte der Dienerin“, 1990) versucht hat. Die ausgezeichnete Elisabeth Moss, bekannt aus „Mad Men“, ist hier als eine der letzten fruchtbaren Frauen zu sehen, die in einer von christlichen Fundamentalisten beherrschten Zukunft als Gebärmaschinen gehalten werden. Visuell atemberaubend inszeniert mit ausgeklügelten Farbcodes und nonnenhaften Roben, gilt der Protestzug der Frauen in der Serie als Vorbild für den realen „Women’s March“ am 21. Januar 2017 für Bürgerrechte und gegen die latente Frauenverachtung des Präsidenten. Einen Rekord hat Julia Louis-Dreyfus gebrochen, die in der Satire-Serie „Veep“ (HBO) als ständig fluchende, sehr offenherzige Vizepräsidentin den Politikbetrieb in Washington auf die Schippe nimmt: Sie hat als Erste für dieselbe Rolle zum sechsten Mal in Folge den Emmy als beste Komödiendarstellerin bekommen.

Präzedenzfälle sind auch Ronald Glover und Lena Waithe, er wurde als erster Afroamerikaner zum besten Komödienregisseur gekürt, sie als erste Afroamerikanerin zur besten Komödienautorin. Glover erzählt in der Serie „Atlanta“ mit feinem Humor die Geschichte des glücklosen Princeton-Abbrechers Earn, als der er selbst durchs Dasein treibt. Waithe spielt in der Serie „Master Of None“ (Netflix) Denise, die lesbische Kindergartenfreundin des ebenfalls glücklos durchs Leben treibenden Dev, der trotz allem seinen Lebensmut nicht verliert. Die ausgezeichnete Episode „Thanksgiving“ hat Waithe mit dem Showrunner und Hauptdarsteller Aziz Ansari geschrieben, und sie erzählt über zwanzig Jahre hinweg, wie Denise und ihr Umfeld lernen, ihre Homosexualität zu akzeptieren, die doppelte Diskriminierung bedeuten kann: „Es ist schwer genug, in dieser Welt eine schwarze Frau zu sein“, sagt die Mutter, als Denise sich outet, „und du willst da noch was draufsetzen?“

Menschen verlieren sich in virtuellen Welten

Apropos Vielfalt: Ansari ist tamilischer Abstammung, sein Kollege Riz Ahmed britisch-pakistanischer. Er wurde als bester Darsteller in der Miniserie „The Night Of“ ausgezeichnet, in der er einen Studenten spielt, der neben einer Frau in einem Blutbad aufwacht, sich an nichts erinnert, aber unter Mordanklage ins Gefängnis kommt, wo er mühsam lernen muss, sich gegen Schwerverbrecher zu behaupten. „Die Wahrheit wird dir nicht helfen“, sagt ihm sein Anwalt in Gestalt von John Turturro, der ebenfalls einen Emmy verdient hätte.

Von bösen Überraschungen mit neuen Technologien erzählt in unzusammenhängenden Episoden die düstere satirische Serie „Black Mirror“ (Netflix). Der Showrunner Charlie Brooker bekam den Emmy als bester Autor einer Miniserie für die Folge „San Junipero“. Diese dreht sich im hedonistisch-bunten Setting der 1980er Jahre ums Sich-Verlieren in virtuellen Welten. Mit technischen Kategorien begnügen mussten sich überraschend der spektakuläre Androiden-Thriller „Westworld“ (HBO) und die wunderbare Mystery-Serie „Stranger Things“ (Netflix), eine Hommage an Genre-Filme der 1980er.

Diese Emmy-Verleihung hat eindrücklich gezeigt: Die andere Hälfte Amerikas, die weltoffene, aufgeklärte, hat nicht kapituliert vor dem Trumpismus, im Gegenteil – sie treibt ihn vor sich her vor den Augen eines globalen Publikums.

Die Preisträger

Comedy
Serie: „Veep“. Hauptdarsteller: Donald Glover in „Atlanta“. Hauptdarstellerin: Julia Louis-Dreyfus in „Veep“. Nebendarsteller: Alec Baldwin in „Saturday Night Live“. Nebendarstellerin: Kate McKinnon in „Saturday Night Live“. Regie: Donald Glover für „Atlanta – B.A.N.". Drehbuch: Aziz Ansari und Lena Waithe für „Master Of None – Thanksgiving“.

Drama
Serie: „The Handmaid’s Tale“. Hauptdarsteller: Sterling K. Brown in „This Is Us“. Hauptdarstellerin: Elisabeth Moss in „The Handmaid’s Tale“. Nebendarsteller: John Lithgow in „The Crown“. Nebendarstellerin: Anne Dowd in „The Handmaid’s Tale“. Regie: Reed Morano für „The Handmaid’s Tale – Offred“. Drehbuch: Bruce Miler für „The Handmaid’s Tale – Offred“.

Miniserie/Fernsehfilm
Miniserie: „Big Little Lies“. Fernsehfilm: „Black Mirror – San Junipero“. Hauptdarsteller: Riz Ahmed in „The Night Of“. Hauptdarstellerin: Nicole Kidman in „Big Little Lies“. Nebendarsteller: Alexander Skarsgård in „Big Little Lies“. Nebendarstellerin: Laura Dern in „Big Little Lies“. Drehbuch: Charlie Brooker für „Black Mirror – San Junipero“.