Die Heiterkeit trägt den ironischen Kommentar auf ihre Musik im Bandnamen und auf die Konzertbühne im Merlin. Immerhin kommen die Songs nicht so verkopft daher, wie das Albums befürchten lässt - und man erlebt davor eine neue Stuttgarter Pop-Sensation.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Man könnte das Konzert oder sogar das gesamte Schaffen der Band Die Heiterkeit unter Gendergesichtspunkten diskutieren. Das läge ja auch nahe, wenn eine Frau mit sehr tiefer Stimme auf der Bühne steht, die zumal sämtliche Die-Heiterkeit-Songs geschrieben und die Rest-Band zur aktuellen Tour ausgetauscht hat. Außerdem wird die Gruppe im genderverliebten Popdiskurs, den man mit einem Albumtitel wie "Pop & Tod I & II" ja definitiv anspricht, immer wieder als Gegengewicht zu einer männlich dominierten Rockmusik bezeichnet. Die nachgerückten Bandmitglieder reden über das Thema gerade so gerne wie Mastermind Stella Sommer, etwa hier.

 

Hier soll es aber allein um den musikalischen Vortrag der Band gehen. Beim Tour-Halt im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin wird man, zumal beim ersten Besuch eines Die-Heiterkeit-Konzerts, ganz zu Beginn von der kühlen Aura gepackt, die Sommer verstrahlt. Die Frau hat ein jugendliches Gesicht, einen strengen Blick und eine tiefe, gleichwohl nicht dominante Stimme. Das alles zusammen haucht ihrem Auftritt per se eine Spannung ein, die fasziniert und bis zum Ende des Konzerts trägt. Man kauft Sommer das schlichtweg ab, auch wenn der dazu passende, ironisch gewählte Bandname die Heiterkeit als etwas zu platter Kommentar auf die deutsche Grundgefühlsverfassung verstanden werden kann: heiter bis wolkig, hihi.

Zwischen Tocotronic und Knef

Musikalisch-textlich, das soll hier noch vermerkt werden, ist der Auftritt der Frontfrau, zwischen Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow und Hildegard Knef anzusiedeln. Sommers Mitmusiker, die unter anderem mit den Bands Oracles und Messer schon auf Stuttgarter Bühnen gestanden haben, machen einen gründlichen Job, auch wenn Sonja Deffners Synthesizer-Klangflächen mit der Zeit erwartbar werden und Hanitra Wagner am Bass etwas blass bleibt. Der hübsche, stellenweise sakrale dreistellige Gesang der drei Musikerinnen definiert den Die-Heiterkeit-Sound und darf deshalb bei so gut wie keinem Song fehlen. Darf man an dieser Stelle als Mann trotzdem schreiben, dass der Schlagzeuger Philipp Wulf ein Stück mehr überzeugt?

Jedenfalls kommen die auf dem aktuellen Die-Heiterkeit-Album Pop & Tod I & II manchmal etwas sedierend produzierten Songs nicht zuletzt dank des Schlagzeugers ein ganzes Stück, man muss das so sagen, flotter daher und eingängiger. Die Heiterkeit spielen gerade wegen der Gleichförmigkeit von Arrangement und Gesang ein Konzert, bei dem man die Zeit vergisst. Erst das großartige Noise-Finale beim Song "Haus außerhalb" holt einen klanglich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Ein schönes, angeheitertes Konzert, das angesichts des aktuellen Albums so nicht unbedingt zu erwarten war. Und: Das ist Musik, die nicht, wie es ab und an heißt, nur für Feuilletonisten und Musiker gemacht wurde.

Und dann war da noch ...

Mit diesem Satz endet die Besprechung des Abends noch nicht. Vor Die Heiterkeit hat nämlich schon JFR Moon ein Konzert gespielt, das weit mehr ist als der übliche Support-Gig eines aufstrebenden lokalen Künstlers. Vielmehr erleben die vielen Szene- und Musikerkollegen, die nur für diesen Auftritt ins Merlin gekommen sind, den nächsten Schritt in der Entwicklung eines bemerkenswerten Songschreibers. Unter anderem mit Kevin Kuhn (Die Nerven) am Schlagzeug sind die JFR-Moon-Songs, wie sie im Merlin vorgetragen werden, auf dem Weg zu einem sanft psychedelischen Poprock, der schnellstmöglich rausmuss aus den kleinen Clubs.  

Der ganz selbstverständlich klingende, entspannte Groove, den JFR Moons en passant zusammengestellte Stuttgart-Supergroup-Band über die stellenweise verschrobenen Texte und Melodien ihres Songwriters legt. So werden aus Songs, die solo eher was fürs Konzertwaggon-Publikum sind, super-eingängige und trotzdem höchst originelle Pop-Nummern. Letztlich weist JFR Moon damit der Hauptband Die Heiterkeit den Weg, die nach diesem Auftritt gar nicht anders kann als ihre eigenen Songs etwas roher zu spielen als auf Platte.


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