Das Warten, Bangen, Rätseln hat ein Ende. Die Sperrfrist ist abgelaufen, Kritiker dürfen offen ihre Meinung sagen. Ist „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ so gut, wie Fans erhofft haben?

Stuttgart - Fangen wir mit dem Wichtigsten an: mit der Antwort auf die Frage, ob „Das Erwachen der Macht“ der Vorabaufregung gerecht wird. Um es kurz zu machen: es ist ein grandioser, epischer Film, der es tatsächlich schafft, Star Wars in eine neue Ära zu führen. Und man braucht fürs Vergnügen nicht mal unbedingt Vorkenntnisse.

 

Wo steckt der Jedi-Ritter Luke Skywalker? Diese Frage setzt die Ereignisse auf dem Wüstenplaneten Jakku vor langer Zeit in einer Galaxis weit, weit entfernt in Gang. Der Regisseur, Co-Drehbuchautor und neuer „Star Wars“-Mastermind J. J. Abrams hat dazu gelernt: Experimentierte er bei seinem Star-Trek-Reboot 2009 nur ein wenig mit einer hauptsächlich von Bildern und Musik getragenen Erzählweise, hat er das nun perfektioniert.

Auf der dunklen Seite

In den ersten zehn Minuten fallen nicht allzu viele Worte. Abrams lässt quasi den Film sprechen und die Szenen wirken, die uns einen Eindruck vermitteln. Davon, wie erbarmungslos der Erste Orden vorgeht, der aus dem Imperium hervorgegangen ist. Und wir erfahren ein wenig über den neuen Bösewicht Kylo Ren (Adam Driver). Gleich zu Beginn wird angedeutet, dass er zwar auf der dunklen Seite der Macht steht. Aber er ist auch noch immer jemand, der nach seinem Weg im Universum sucht.

Das stellt auch die Verbindung zwischen allen neuen Charakteren im Star-Wars-Universum mehr als 30 Jahre nach „Rückkehr der Jedi-Ritter“ her. Sie alle müssen sich an einem Punkt im Film entscheiden. Rey (Daisy Ridley) kommt als Plünderer von Schiffswracks auf Jakku eher schlecht über die Runden. Sie will den Planeten aber gar nicht verlassen, weil sie hofft, dass ihre Familie zurückkehrt, die sie nicht kennt. Und Finn (John Boyega) will nur möglichst viele Lichtjahre zwischen sich und dem Ersten Orden lassen und nicht in irgendetwas hineingezogen werden.

Natürlich geht das alles nicht auf. Dadurch entsteht Dramatik, die Charaktere werden nahbar. Sie tragen nicht nur den äußeren, sondern auch einen inneren, nachvollziehbaren Konflikt aus.

Die Bedeutung der kleinen Momente

Die Chemie zwischen Rey und Finn stimmt. Sie ist zudem, was für Blockbuster leider noch immer ungewöhnlich ist, eine treibende Kraft. In einer Situation greift Finn ständig mit seiner Hand nach ihrer und zieht sie mit. Sie faucht ihm entgegen: „Hör auf, ständig meine Hand zu nehmen.“ Erst als sie ihm die ihre reicht, um Finn zu helfen, ist es für sie in Ordnung. Es sind viele solcher kleiner Momente, die Abrams eingestreut hat, um die Charaktere zu definieren.

Auch Harrison Ford als Han Solo läuft zwischen der jungen Riege zur Höchstform auf. Er schwankt zwischen Respekt und Ablehnung, als Rey auf seinem alten Raumschiff Millennium Falcon rumfuhrwerkt – und den alten „Schrotthaufen“ offenbar genau so gut versteht wie er. Die Dynamik und die Dialoge, beides passt zwischen ihnen. Abrams hat ganze Arbeit geleistet, und die Schauspieler, ob jung oder alt, ziehen mit.

Es macht einfach Spaß, ihnen zuzuschauen – weil es überzeugende Charaktere sind und es auch witzige Momente gibt, ohne dass der Film in albernen Klamauk abdriftet. Alles wirkt natürlich und beiläufig zwischen den grandios in Szene gesetzten Actionszenen und zwischen der Tricktechnik, die tatsächlich dazu dient, eine Geschichte zu erzählen und nicht die Hauptrolle übernimmt. Selbst die computergenerierten Charaktere Maz Kanata (Lupita Nyong’o) und Supreme Leader Snoke (Andy Serkis) haben tatsächlich etwas zu sagen und sind nicht nur da, weil man so was eben machen kann und es toll aussieht.

Kalte Schauer über den Rücken

Der neue Droide BB-8 hätte nicht mehr als ein Kinderspielzeug sein können. Tatsächlich ist er ziemlich cool und eigenwillig. Es ist erstaunlich, was Abrams aus den minimalen Möglichkeiten eines Roboters, der im Grunde nur aus einer Kugel und Halbkugel mit großem Kamera-Auge besteht, an Mimik herauskitzeln konnte.

Den stärksten Eindruck hinterlässt aber jemand anders: Kylo Ren. Seine Maske hat zwar tatsächlich einen Sinn. Aber dadurch hat der Schauspieler Adam Driver nur wenige Gelegenheiten, zu brillieren – aber die nutzt er dann auch. Zumal Kylo Ren bei Weitem nicht so gefestigt und abgeklärt ist, wie er gerne wirken möchte – was im Film eine überaus tragische Rolle spielt.

Was alles verwirrt und schwächelt

„Das Erwachen der Macht“ ist eben nicht nur unterhaltsam, beeindruckend oder witzig. Es gibt die Momente, in denen ergriffen ein kalter Schauer über den Rücken läuft oder in denen man kurz schluchzen und sich eine Träne verdrücken muss.

Ist der Film perfekt? Nicht ganz. Es gibt den einen oder anderen kleinen Logikfehler. Die neue Superwaffe des Ordens, die Starkiller-Base, scheint übermächtig, verwirrt zunächst etwas und wird erst später eher beiläufig erklärt. Und nicht jeder Charakter ist ausgefeilt: Captain Phasma (Gwendoline Christie) bleibt aufgrund mangelnder Leinwand-Präsenz blass, Carrie Fisher als General Organa fremdelt ein wenig mit ihrer Rolle.

Keine Sorge, es geht weiter

Auch der Filmtitel „Das Erwachen der Macht“ erschließt sich nicht so ganz. Und Supreme Leader Snoke ist trotz seiner beeindruckenden Auftritte noch nicht greifbar. Wie und von wem Lukes Lichtschwert, das durchaus wichtig für den Film ist, geborgen wurde, wird nicht geklärt. Ebenso wenig, was genau zu Lukes Verschwinden geführt hat. Vieles wird nur angedeutet und findet wahrscheinlich in den folgenden Teilen – oder Spin-Offs? – eine Auflösung. Darauf ist der Film definitiv ausgelegt – mit einigen losen Enden und einer beeindruckenden Schlussszene, die lange im Gedächtnis bleibt und nach einer Fortsetzung schreit.