Die Flüchtlingsanstürme der vergangenen Jahre haben die Gemeinden im Land geprägt, in denen die Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Leas) betrieben werden. So sind sie mit der Anstrengung umgegangen.

Baden-Württemberg: Erdem Gökalp (erg)

Asylbewerber, die nach Deutschland einwandern wollen, müssen zunächst die offiziellen Anlaufstellen aufsuchen. In fünf Einrichtungen in Baden-Württemberg – den vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Leas) und einem Ankerzentrum – werden die Flüchtlinge registriert. Vielerorts sind die Zentren stark umstritten.

 

Heidelberg So eine große Zustimmung für eine Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge gibt es wohl an keinem anderen Standort in Baden-Württemberg. Denn im Jahr 2021 haben die Heidelberger bei einem Bürgerentscheid mit einer großen Mehrheit von 70 Prozent dafür gestimmt, dass das Ankerzentrum von der ehemaligen US-Wohnsiedlung Patrick-Henry-Village nicht auf eine deutlich ungünstiger gelegene Fläche am westlichen Stadtrand verlegt werden soll. Der vorgeschlagene Standort des Ankunftszentrums Heidelberg war wegen seiner schlechten Lage zwischen zwei viel befahrenen Autobahnen und einer Bahnlinie umstritten. Das Ankerzentrum in Heidelberg besteht seit 2014 und hat die Kapazität, 3500 Menschen aufzunehmen.

Ellwangen Für deutlich mehr Schlagzeilen sorgt die Lea in Ellwangen. Der Gemeinderat der Stadt im Ostalbkreis hatte nach langem Tauziehen im Dezember 2022 beschlossen, die Einrichtung in der Georg-Elser-Straße doch noch bis 2025 laufen zu lassen. Zuletzt hatte sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann einschreiten müssen, um den Streit schlichten. Er hatte an den Gemeinderat appelliert, wegen des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine die Lea nicht wie geplant Ende 2022 zu schließen.

Ebenfalls für Aufruhr sorgte die Aufnahmestelle nach einer gescheiterten Abschiebung im Jahr 2018. Mehrere Dutzend Einwohner hatten die Polizei damals daran gehindert, einen Flüchtling aus Togo mitzunehmen.

Nachdem die Beamten sich wegen des Protests zurückziehen mussten, waren sie einige Tage später mit einem Großaufgebot zurückgekehrt. Der Einsatz sorgte für großes Aufsehen, denn sie durchsuchten nachts die Zimmer der Bewohner, traten Türen ein und fesselten mehrere Personen. Nach der Klage eines der Bewohner bewertete ein Gericht das Vorgehen der Polizei im Februar 2021 letztendlich als übertrieben.

Laut Angaben des Justizministeriums kann die seit 2014 bestehende Einrichtung derzeit 1150 Bewohner aufnehmen.

Karlsruhe Als eine „Last“ sollten die Bürgerinnen und Bürger von Karlsruhe die Landesaufnahmestelle nicht empfinden. Dieser Meinung war offensichtlich auch die Landesregierung. Aus diesem Grund hat sie im Jahr 2013 beschlossen, die bis dahin gebräuchliche Bezeichnung und Abkürzung für die Einrichtung in Karlsruhe von LaSt auf Lea zu verändern. Der Standort hat eine lange Geschichte und wurde im Jahr 1990 als eine sogenannte Zentrale Anlaufstelle gegründet. Seit der symbolischen Namensänderung 2013 haben sich auch die Probleme für die Stadt deutlich verlagert, und sie muss inzwischen viele Flüchtlinge aufnehmen. In der Stadt gibt es laut Angaben des Justizministeriums aktuell eine Kapazität für insgesamt 1400 Flüchtlinge.

Sigmaringen Die Zustände seien „unerträglich“, so beschreibt der Sigmaringer Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (CDU) die Lage in der Landeserstaufnahmestelle an der Donau. Laut eines Berichts der „Schwäbischen Zeitung“ hatte sich der Politiker im Oktober mit einem offenen Brief an Kretschmann gewandt, um die Lage in der Stadt anzuprangern. Es herrsche seit einiger Zeit Unmut, weil die Bürger nach einigen Vorfällen und Polizeieinsätzen Angst um ihre Sicherheit hätten. Bei einer öffentlichen Sitzung hatte der Gemeinderat die Bürger über die aktuelle Lage informiert. Gemeinderäte sprachen von einem „Kipppunkt“ in der Zustimmung der Bevölkerung. Ursache der Spannungen sei, dass das Verhältnis nicht stimme; in der Kernstadt lebten 13 000 Bürger, in der Lea 2100 Menschen. Einige Wochen zuvor gab es zudem einen Großeinsatz der Polizei, nachdem 100 Menschen in der Lea aneinandergeraten sein sollen.

Freiburg Im Juli hat Gisela Splett, die grüne Staatssekretärin im Landesfinanzministerium, gemeinsam mit Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) die Gebäude des ersten Bauabschnitts der Lea in Freiburg an das Regierungspräsidium übergeben. Laut Angaben der Landesregierung befindet sich die Lea auf einem Teil des Areals der ehemaligen Polizeiakademie Freiburg. Abschnittsweise wurden die ehemaligen Polizeigebäude umgebaut und saniert. Erst im Dezember gab es aber einen Brand mit einem Sachschaden in sechsstelliger Höhe. Die Einrichtung besteht seit 2015 und hat die Kapazität, 1050 Flüchtlinge aufzunehmen.

Aufnahmeverfahren in den Leas

Asyl
Die Aufnahme, Unterbringung und Verteilung von Menschen, die in Deutschland um Asyl nachsuchen, wird durch das Asylgesetz (AsylG) und das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt. In Baden-Württemberg gibt es zusätzlich das Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG). Erste Anlaufstelle für Asylsuchende sind die jeweiligen Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Leas). Das Asylverfahren selbst wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) durchgeführt. In Baden-Württemberg nimmt das Regierungspräsidium Karlsruhe im Rahmen der Aufnahme, Unterbringung und Verteilung landesweite Steuerungsaufgaben wahr wie beispielsweise die Zuweisung der Asylbewerber in die Stadt- und Landkreise.

Verpflegung
Bei Ankunft in einer Lea bekommen Asylbewerber an der Pforte einen sogenannten Übernachtungsausweis. Damit erhalten sie einen Schlafplatz, Verpflegung sowie eventuell notwendige medizinische Versorgung und bei Bedarf Kleidung. In der Regel wird eine neu ankommende Person am nächsten Werktag registriert. Hier wird festgestellt, ob sie in Baden-Württemberg bleiben kann oder in ein anderes Bundesland weiterreisen muss. Grundlage hierfür ist der sogenannte Königsteiner Schlüssel.