Die drei Sparten der Württembergischen Staatstheater machen gemeinsame Sache – Schauspielchef Armin Petras inszeniert jetzt auch in der Stuttgarter Oper. Außerdem sagt Petras, wie er die Auslastung steigern will und warum Schauspielstar Peter Kurth in Frauenkleidern spielen wird.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Stuttgart - Wenn man sich zum ersten Mal verabredet, wird schon auch mal Druck aufgebaut. So wie jetzt bei der ersten Inszenierung von Schauspielchef Armin Petras im Stuttgarter Opernhaus: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, ich erwarte sehr viel“, sagt der Generaldirigent Sylvain Cambreling am Donnerstag bei der Spielplankonferenz in Richtung Armin Petras. Petras hält sich mit gespielter Überforderungsfurcht die Hände vors Gesicht – als sei mit dem Erwarten nicht nur die Hoffnung auf neue Impulse gemeint, sondern auch eine Qualitätseinforderung. Opernchef Jossi Wieler, der seinen Schauspielkollegen für Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ verpflichtet hat, lächelt nachsichtig.

 

Es ist eine Art Gegeneinladung; in dieser Spielzeit hat Jossi Wieler mit der Uraufführung von Katers „I.N.R.I. – eine Kriegsfuge“ erstmals in Stuttgart ein Stück inszeniert. Der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks hatte es schon angekündigt, in der nächsten Saison werde der künstlerische Zusammenhalt der drei Sparten besonders deutlich: „Wir sind hier alle unter einem Dach“. In der Tat laden sich nicht nur die Intendanten gegenseitig ein, sie teilen sich die Regisseure (nachdem Frank Castorf im Theater Platonovs „Tschewengur“ inszenierte, wird er nächste Saison in der Oper bei „Faust“ Regie führen). Es wird weiter fleißig kooperiert – nach „The Fairy Queen“ von Schauspiel und Oper wird es mit „Der Tod in Venedig“ ein Zusammenspiel von Ballett und Oper geben.

Und manche Stoffe lassen sich in mehreren Sparten sehen. Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ etwa ist in der Oper Thema – und 2017 wird der Roman von Stefan Pucher für die Bühne adaptiert. Pucher war kürzlich mit Ibsens „Volksfeind“ beim Berliner Theatertreffen eingeladen und ist der einzige neue Regisseur im Schauspielhaus.

Regionale Stoffe von Martin Walser und Philipp Löhle

Überhaupt besinnt man sich wieder auf das Konzept des glorreichen Beginns 2013: Im Nord, wo man diese Saison zwei aufwendige Performance-Blöcke stemmt, werden junge Regisseure Dramen von Brecht bis Fassbinder inszenieren. Man will aber auch weiter Performances, Lesungen, kleine Arbeiten zeigen. Schauspieler Wolfgang Michalekwird hier daher nicht nur Schillers „Kabale und Liebe“ auf die Bühne bringen, sondern verantwortet auch das künstlerische Begleitprogramm.

Viel Regionales kommt wieder auf die Bühne, Walsers „Ehen in Philippsburg“, Mörikes „Hutzelmännchen“, eine Stückentwicklung über Stuttgarter Persönlichkeiten und ein Drama von Philipp Löhle, in der es um Waffenhersteller aus Schwaben geht. Außerdem Produktionen mit herausragenden Darstellern. Dies auch, um die Auslastungszahlen, die sich laut Petras’ „zwischen 70 und 80 Prozent“ bewegen, zu steigern. Petras: „Wir waren diese Saison auf sieben internationalen Festivals eingeladen und viel unterwegs. Das war eine tolle Auszeichnung, aber wir müssen wieder verstärkt unsere Energie im Haus bündeln.“

Der Intendant darf sich preisen, seine auch im Filmgeschäft gefragten Ensemblemitglieder halten zu können. Franziska Walser spielt in Petras’ Beckett-Inszenierung „Glückliche Tage“. Edgar Selge und der soeben mit dem Deutschen Filmpreis gekürte Peter Kurth sind in O’Neills „Am Ende eines langen Tages Reise in die Nacht“ zu erleben. Petras: „Peter Kurth dann in einer Damenrolle“. Keine Regiemarotte, beteuert der Intendant. Kurth habe sich so eine Rolle schon lange gewünscht. Der Geschlechtergerechtigkeit halber übernimmt die Schauspielerin Astrid Meyerfeldt dafür in „Arsen und Spitzenhäubchen“ eine Hosenrolle (Regie: Jan Bosse).

Komödien in schwierigen Zeiten

Je politisch schwieriger die Zeiten, desto mehr wird in der Kunst gelacht. Neben diesem Kesselring-Schlager steht auch ein Schwank auf dem Premierenplan: „Der Raub der Sabinerinnen“ von Paul und Franz von Schönthan. Der Schwank handelt auch vom Theaterbetrieb. Womöglich findet Selbstbespiegelung nur in der Produktion statt. Öfter von aufdringlichen Hinweisen wie „Achtung, wir machen hier Theater“, verschont zu werden – das wäre schon was. Zuletzt hatte man den Eindruck, dass Schauspieler in jeder Inszenierung aus ihren Rollen aussteigen.

Regie bei den „Sabinerinnen“ führt übrigens Sebastian Hartmann. Dessen Mammut-Abende „Im Stein“ und „Staub“ hatten, gelinde gesagt, nicht für ausverkaufte Vorstellungen gesorgt. Aller Besinnung auf den guten Intendanzstart darf sich das Publikum also weiter gefordert fühlen.