Am Freitag startet RTL die neunte Staffel von „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“. Aber wie kommt man als Kandidat rein ins Dschungelcamp? Noch nie hat der Sender so viele Bewerbungen bekommen wie für die neue Ausgabe der Show.

Stuttgart - Sexy wäre gut: blond, üppige Oberweite, rundes Heck und große Klappe, gepaart mit einem gesunden Pragmatismus. So würde sie sich lesen, die Stellenanzeige, die RTL schalten müsste, wenn der Sender per Inserat eine neue „Dschungelkönigin“ suchen müsste. Doch das hat RTL nicht mehr nötig. Nach acht Staffeln „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ wollen nämlich viel mehr Kandidaten rein als raus. Dreihundert haben sich für die neue Staffel beworben, dreimal so viel wie vor zehn Jahren. Damals wandten sich Feingeister noch mit Schaudern ab, wenn Kandidaten pürierte Känguruhoden und ähnliche Leckereien herunterwürgen mussten.

 

Inzwischen aber hat sich herumgesprochen, dass der Dschungel nur als Benutzeroberfläche für eine raffiniert gemachte Mediensatire herhalten muss. Kirsten Petersen, 42, registriert es zufrieden. Sie produziert das Format für RTL, das acht Millionen Zuschauer im Schnitt hat und ein Quotenrenner ist. Sie sagt, die Aquise von Kandidaten sei deutlich einfacher geworden. „Noch vor zehn Jahren hätten Managements sofort den Hörer aufgelegt. Heute setzt man sich mit unserer Anfrage zumindest mal auseinander.“

Sie meint damit nicht die Manager jener Mädchen, die irgendwann mal die Hüllen für den „Bachelor“ (RTL ) fallen ließen oder Kartoffeln für „Das Perfekte Dinner“ (Vox) geschält haben. Das sind alles nur Stationen auf dem Weg in den Dschungel. Melanie Müller aus dem sächsischen Grimma hat sie absolviert, die amtierende Dschungelkönigin. 26 Jahre, künstlich aufgepumpte Oberweite, schlagfertig. Sie sagt, sie könne nur rätseln, warum sie ins Profil der Produzenten gepasst habe. „Ich glaube, ich war die kleine Skandalnudel.“

Ein Shitstorm für den Schlagersänger

RTL fand ihre Adresse in der Kartei der ITV-Studios. Die Firma produziert fast alle bekannten Fernsehshows, die den Traum vom schnellen Ruhm nähren. „Da können wir aus dem Vollen schöpfen“, frohlockt Petersen. Wesentlich schwieriger sei es aber, Sterne zu finden, deren Namen schon mal heller geleuchtet haben. Leute wie der Schauspieler Helmut Berger oder der Alt-68er Rainer Langhans. Einige habe RTL Jahr für Jahr angebaggert, bis sie Ja sagten.

Schlagersänger Michael Wendler war so ein Fall. 2012 hatte er RTL noch abblitzen lassen. Die Show sei etwas für Leute, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, erklärte sein Manager Markus Krampe damals. Heute lacht er, wenn man ihn fragt, warum der selbsternannte König des Popschlagers („Sie liebt den DJ“) zwei Jahre später doch noch in den Dschungel zog, geködert mit „einer Menge Geld“.

Wendler hätte es besser gelassen. Ein Shitstorm empfing ihn, als er schon nach vier Tagen das Handtuch warf. „Das Ding ging nach hinten los“, sagt sein Manager. Wäre Wendler nicht als Sänger bekannt gewesen, wäre er wohl weg vom Fenster gewesen. RTL konnte es nur Recht sein. Noch Tage nach seinem Auszug zehrte der Sender von Bildern des Sängers. Das Großmaul, plötzlich ganz klein. Sein Beispiel zeigt, warum der Cast bei dieser Sendung das A und O ist.

Frauen, die „Heldengeschichten“ liefern

Die Teilnehmer werden 24 Stunden am Tag gefilmt, ohne Kontakt zur Außenwelt. Aus der Flut der Bilder muss RTL die herausschneiden, mit denen man Geschichten erzählen kann. Ob das gelingt, hängt von der Gruppendynamik ab. Kandidaten, die apathisch in der Hängematte dösen, will also keiner sehen. Es muss krachen – und der Cast, so Kirsten Petersen, müsse dementsprechend bunt und schillernd sein. Film, Fernsehen, Sport, Musik: aus jedem Genre sollten Kandidaten dabeisein. Fünf Männer, fünf Frauen, alle im Alter zwischen 18 und 88 Jahren. Das ist der Rahmen. Die Kriterien bei der Auswahl aber sind ein Geheimnis. Hier hört die Marktforschung auf und fängt die Psychologie an.

Denn natürlich, sagt Kirsten Petersen, suche man Kandidaten „mit Unterhaltungswert“. Und der ergebe sich oft aus dem Gefälle zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Siehe Wendler. Hinzu kommt: je prominenter ein Kandidat, desto größer die Fallhöhe. Doch Prominenz allein reicht trotzdem nicht aus. In den Fokus der letzten drei Staffeln katapultierten sich eher ehrgeizige und unerfahrene No-Names wie Melanie Müller, Sarah „Dingens“ Knappik oder Georgina Fleur. Solche „Grenzfälle“ hat Petersen vor Augen, wenn sie sagt, das Camp habe sein Publikum verjüngt. Diese Frauen funktionierten deshalb so gut, weil man mit ihnen „Heldengeschichten“ erzählen könne.

Perfekte Selbstvermarktung

Größenwahn und ein Mangel an Lebenserfahrung als Einstellungsvoraussetzung? Spätestens hier stellt sich die Frage, wie es RTL verantworten kann, solche Kandidatinnen dem Spießrutenlauf vor einem Millionenpublikum auszuliefern.

Kirsten Petersen sagt, sie würden von Psychologen auf ihre Belastbarkeit geprüft. Als kräftezehrende Verhöre, so hat Melanie Müller diese Gespräche tatsächlich in Erinnerung. Sie habe sich sehr nackt gefühlt, so tief habe RTL in ihrer Vergangenheit gebohrt. Doch offenbar nicht tief genug. Ihr Vorleben als Porno-Darstellerin habe sie dem Sender nämlich verheimlicht, sagt die 26-Jährige. Die Schlagzeile in der Bild sei erst erschienen, als sie schon im Camp war. Jemand habe sie verpfiffen. Oder doch nur: perfekte Selbstvermarktung?

Ihr Bild in der Öffentlichkeit, das räumt Müller immerhin ein, habe ihr Manager schon kontrolliert, als sie noch im Camp schwitzte. Dieser Manager ist ihr Lebensgefährte Mike Blümer, dem sie kürzlich das Ja-Wort gegeben hat. Auch das kann man bald im Fernsehen sehen, auf RTL II in der Doku-Soap „Melanie in Love“. Vermutlich ist es Frau Müllers letzter Auftritt, bevor sie wieder vom Medienradar verschwindet.