Die neuen Corona-Beschlüsse bereiten unter anderem Leichtathleten, Schwimmern und Turnern große Sorgen, weil sie Einschränkungen im Trainingsbetrieb befürchten.

Stuttgart - So ein Ärger, jetzt geht es wieder in den Wald! Obwohl die Blätter so wunderbar bunt sind – die Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch kann sich Schöneres vorstellen, als umringt von Bäumen zu trainieren. Zwar sind Leistungs- und Individualsportler wie sie weitgehend ausgeschlossen von den jüngsten Corona-Beschlüssen der Bundesregierung, doch wenn etwa die Molly-Schauffele-Halle in Stuttgart dichtgemacht wird, geht es doch wieder nach draußen. „Ich hoffe nicht, dass hier alles geschlossen wird“, sagt Jungfleisch, „ansonsten muss ich tatsächlich wieder in den Wald – was wirklich nicht schön ist.“

 

Wie es weitergeht? Jungfleisch weiß es nicht. Nächste Woche stehen Besuche in der Halle auf ihrem Trainingsplan, und sie hat vor, diesen auch einzuhalten. In den Kraftraum der Molly-Schauffele-Halle dürfen seit Pandemiestart ohnehin nur 20 Sportler, das wird streng kontrolliert. „Ich kann mir vorstellen, dass man dann auch in der Halle strikter sein wird in den nächsten Wochen“, glaubt Jungfleisch. Aber so richtig weiß keiner, was die zuständigen Ministerien, der Landessportverband Baden-Württemberg und die Olympia- und Landesstützpunkte in Abstimmung miteinander beschließen.

Ein Beitrag für die Gesellschaft

Auch Tim Lamsfuß weiß es noch nicht. Der Leiter des Olympiastützpunktes Stuttgart glaubt aber, dass der Profisport weiterlaufen kann und damit auch der Trainingsbetrieb. „Wir gehen davon aus, dass es eine Lösung geben wird für die am OSP trainierenden Kader“, sagt Lamsfuß, der sich nicht vorstellen kann, dass es zum kompletten Lockdown im Spitzensport kommen wird. „Wir haben am Anfang der Krise in Hallen mit mehr als 1000 Quadratmetern nur fünf bis sieben Leute zugelassen, die weit über 20 Meter Abstand voneinander halten konnten“, erklärt der OSP-Chef. Auch jetzt seien in den Sportstätten nur wenige Athleten und Trainer, und man wäre bereit, die Anzahl weiter zu reduzieren.

Für Jürgen Kessing, den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, ist die erneute Schließung der Sportstätten eine „harte Entscheidung“, insbesondere für den Amateurbereich. Gerade der Sport in Deutschland habe bewiesen, dass es aufgrund guter Hygienekonzepte im Spitzen- und Breitensport möglich sei, auch in Corona-Zeiten Sport zu treiben und einen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten. „Deshalb müssen wir auch künftig mit guten Umsetzungs- und Hygienekonzepten überzeugen, damit die Entscheidung der Bundesregierung ab Dezember wieder aufgehoben werden kann“, sagt Kessing.

Der Deutsche Tennis Bund (DTB) befürwortet die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung ausdrücklich. Dennoch geht der DTB davon aus, dass das Ausüben des Tennissports als Individualsportart nicht vollends eingestellt werden muss. Vielmehr sollte „ein Spiel zu zweit oder ein Doppel mit vier Personen aus maximal zwei Haushalten weiterhin möglich sein“, heißt es. Der Deutsche Golfverband geht indes von einer Beschränkungsausnahme für den Golfsport aus. Das Infektionsrisiko sei nicht höher als bei einem gemeinsamen Spaziergang.

Schwimmsport in der Dauerkrise

Der deutsche Schwimmsport befindet sich dagegen in der Dauerkrise – bei den Anfängern, für die es keine Schwimmkurse mehr gibt, ebenso wie den Topathleten, die sich auf Olympia vorbereiten. Die erneute Schließung aller Schwimmbäder trifft die Sportart nun bis ins Mark. „Die negativen Auswirkungen und Schäden für den Schwimmsport seit Ausbruch der Pandemie sind in ihrer Gesamtheit bereits deutlich sichtbar“, sagt DSV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen und setzt nun darauf, dass es zumindest im Spitzenbereich wieder Ausnahmegenehmigungen gibt, um die Olympia-Vorbereitungen nicht noch stärker zu gefährden: „Wir werden mit klugen Hygienekonzepten und Testungen versuchen, unsere Olympia- und Perspektivkaderathleten in dieser schwierigen Pandemiesituation zielgerichtet auf die Spiele vorzubereiten.“

Wolfgang Drexler wandte sich in einem offenen Brief an die Sportministerin Susanne Eisenmann – und wurde deutlich. „Der STB unterstützt die Bundes- und Landesregierung im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie, hält die Schließung des Freizeit- und Amateursportbereichs jedoch für einen nicht notwendigen Schritt zur Eindämmung des derzeitigen Infektionsgeschehens“, schrieb das SPD-Urgestein in seiner Funktion als Chef des Schwäbischen Turnerbunds (STB). Drexler bat Eisenmann mit Nachdruck darum, „bei positiver Entwicklung des Infektionsgeschehens zeitnah Regelungen auf Landesebene zu entwerfen, die die Arbeit in den Sportvereinen dann wieder möglich machen“.

Nur Profis dürfen in die Halle

Die meisten der rund 1800 Turn- und Sportvereine mit ihren mehr als 715 000 Mitgliedern im STB-Gebiet werden allerdings erst mal keine Halle mehr betreten dürfen – im Gegensatz zu den Profis. So dürfen die olympischen Kaderathletinnen- und Athleten sowie jene aus den ersten Nachwuchskadern am Cannstatter Kunstturnforum oder in Fellbach-Schmiden bei der Rhythmischen Sportgymnastik auch von der kommenden Woche an weiter an ihren Stützpunkten trainieren.