Gestern ein Skandal, heute fast schon wieder vergessen: „The Interview“ läuft in unseren Kinos an, die Satire, in der zwei amerikanische Fernsehleute einen Anschlag auf Nordkoreas Diktator verüben sollen. Die Drohungen gegen den Film kamen vielleicht gar nicht von Kims Geheimdienst.

Stuttgart - Plötzlich geht es nur noch um Einspielzahlen und um die Vor- und Nachteile alter und neuer Vertriebskanäle. So weit ist ein Skandal heruntergeschrumpft, der vor Weihnachten die USA und Nordkorea an den Rand einer bewaffneten Auseinandersetzung gebracht hatte.

 

Aufgrund massiver anonymer Drohungen war in den USA die mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un nicht zimperlich umspringende Satire „The Interview“ zunächst aus den Kinoprogrammen gestrichen worden. Nun kommt sie diese Woche ganz angstfrei bei uns auf die Leinwände. Niemand spricht mehr von der Zensur durch Diktatoren, vom großen Angriff auf die Meinungsfreiheit, von der beschämend kleinmütigen Reaktion der Filmbranche auf Erpressungsversuche. Und das hat nicht nur mit dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris zu tun.

Doch nur ein Insider-Verbrechen?

Seit zum Jahreswechsel Spezialisten für Datensicherheit die Erklärung des FBI, der Datenklau bei Sony, die Veröffentlichung von Firmeninterna im Netz sowie die Forderung nach Absetzung von „The Interview“ seien das Werk des nordkoreanischen Geheimdiensts, massiv in Zweifel zogen, herrscht Schweigen über die Affäre. Zu glaubwürdig und blamabel klingt die Variante, eine gekündigte Ex-Angestellte habe das Studio aus Rache und wirtschaftlichen Motiven erpresst und die Drohungen gegen „The Interview“ nur opportunistisch nachgeschoben.

Immerhin, so kann man „The Interview“ nun noch einmal unaufgeregter schauen, diese von Evan Goldberg und Seth Rogen inszenierte Komödie um zwei Fernsehjournalisten (Seth Rogen selbst und James Franco), die nach Nordkorea eingeladen werden, um Kim Jong-un live zu interviewen. Der US-Geheimdienst spannt die beiden ein, um ein Attentat auf den Diktator zu verüben, einer der beiden lässt sich vor Ort aber vom Charme eines bizarren Potentaten einwickeln, der Macht, Elend und Schrecken nur geerbt zu haben scheint und lieber ein lockerer westlicher Spaßsucher wäre.

Eine verpasste Chance

Doch „The Interview“, den wir bereits bei seinem Streamingstart im Netz besprochen hatten, ist immer noch kein guter Film. Ein paar begnadet kasperle-alberne Szenen sind eingebettet in Pennälerhumor, in Hollywoods üblicher Freude an infantilen Männern und einer eher verharmlosenden als ätzenden Karikatur Nordkoreas. Das Ganze ist eine verpasste Chance, und so bleiben tatsächlich nur die Zahlen als Objekt des Interesses: 40 Millionen Dollar hat „The Interview“ beim Start im Netz umgesetzt, fantastisch für ein Streaming-Debüt, viel zu wenig für eine Produktion, die einschließlich der Werbekampagne 70 bis 80 Millionen gekostet haben dürfte.

The Interview. USA 2014. Regie: Evan Goldberg, Seth Rogen. Mit Seth Rogen, James Franco, Randall Park, Lizzy Caplan, Diana Bang, Tommy Chang. 112 Minuten. Ab 12 Jahren.