Die Doku „Abba forever“ auf Arte zeichnet spannend und klar den Weg der schwedischen Supergruppe Abba in den Pophimmel nach. Sie zeigt, dass der Welterfolg nicht von Anfang an ausgemachte Sache war.

Stuttgart - Gleich ungehört ab in die Mülltonne der Musikproduzenten, das sei das Schicksal von Demotapes schwedischer Bands noch in den frühen 70er Jahren gewesen – behauptet einer, der es wissen muss. Björn Ulvaeus, besser bekannt als eines der beiden B’s im Bandnamen Abba, ist damals mit seiner Popmusik in Schweden abgeblitzt. Aber dann kam doch noch der Durchbruch: Abba – bestehend aus Agnetha Fältskog, Anni-Frid Lyngstad, Björn Ulvaeus, und Benny Andersson – gewannen mit ihrem Song „Waterloo“ den Eurovision Song Contest 1974. Plötzlich war Schweden keine dunkle Provinz der Musiklandkarte mehr, der man allenfalls Elchröhren zutraute.

 

Von da an, so scheinen es sogar die später Geborenen zu wissen, regierte Abba unangefochten den Pophimmel, lieferte Hit auf Hit, löste sich irgendwann wegen Erschöpfung und persönlicher Spannung doch auf, blieb aber übers Band-Ende hinaus so populär wie das sonst bloß den Beatles vergönnt war. Über 400 Millionen Tonträger wurden bis heute verkauft, das Abba-Musical „Mamma mia“ war höchst erfolgreich, und schon zwei Kinomusicals voller Abba-Hits lockten Mütter und Töchter – und in manchen Fällen wohl schon Oma, Töchter und Enkelinnen – in die Säle.

Erfolg macht verdächtig

Ganz so glatt lief es dann aber doch nicht, wie die auf Arte zu sehende einstündige Doku „Abba forever: The Winner takes it all“ von Chris Hunt erzählt. Nach dem „Waterloo“-Hit kam erst einmal gefährlich lange – 18 Monate lang – kein weiterer Chart-Hit. Nicht, weil die Band nichts lieferte, sondern weil sie ihrer Startrampe wegen nicht für voll genommen wurde. „Alle hatten beschlossen: Das ist eine dieser Eurovisions-Gruppen. Also haben die nur eine Hitsingle, danach vergisst man sie wieder“, erklärt Ulvaeus das Phänomen.

Nirgends sei man dem Erfolg von Abba so kritisch gegenüber gestanden wie in Schweden selbst, erinnert sich Anni-Frid Lyngstad. Das Land sei stark links geprägt gewesen, bis ins Musik- und Mediengeschäft hinein, und den Linken sei kommerzieller Erfolg suspekt gewesen. Wenn das ein klein bisschen eisig schnippisch klingt, kann das auch daran liegen, dass Lyngstad später einen Adligen heiratete und zur Prinzessin Anni-Frid Synni von Reuß, Gräfin von Plauen wurde.

Huldigung mit Humor

Letzteres lässt Chris Hunt zwar aus. Aber er erzählt spannend und klar von Aufstieg und Entwicklung, Image und Belastungsproben einer Band, die mittlerweile stärker noch als die US-Discowelle als Inbegriff der 70er-Popmusik gilt. Wie viele Band-Porträts kommt „Abba forever“ nicht kritisch-mäkelig, sondern huldigend daher. Aber Hunt und seine Gesprächspartner haben Sinn für Humor. Der Musikproduzent Pete Waterman (ja, der von der 80er-Hitschmiede Stock Aitken Waterman) erklärt, warum damals niemandem auffiel, dass die extravaganten Bühnenfummel von Abba eigentlich Mode des Grauens waren: „Wir zogen uns alle noch furchtbarer an.“

Und Bono von U 2 erinnert sich, warum Abba bei seinesgleichen von vornherein durchfielen: „Die machten keine Musik für Jungs. Die machten Musik für Mädchen.“ Wie Millionen anderer Jungs hat dann auch Bono begriffen, dass das Leben mit Mädchen leichter fällt, wenn man nichts gegen Abba hat. Auch er zählt heute zu den Bewunderern des schwedischen Quartetts.

Ausstrahlung: Arte, 10. Januar 2020, 22.05 Uhr. Vom 10. Januar bis 10. März 2020 ist der Film in der Arte-Mediathek abrufbar.