Mal ausschlafen, öfter schwimmen oder joggen – StZ-Redakteur Martin Tschepe hat vor zehn Jahren die Vier-Tage-Woche eingeführt und singt seither ein Loblied darauf.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Stuttgart - Weniger ist mehr – so einfach ist das. Wer weniger arbeitet, hat mehr Freizeit. Wer an vier Tagen statt an fünf ins Büro geht, dem steht die Welt offen. Klingt pathetisch. Ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Und trotzdem will ich es genau so formulieren: mir steht die Welt offen, jedenfalls ein Stückchen weiter offen als früher.

 

Mal länger schlafen. Öfter joggen, Rad fahren, Schwimmen gehen, wenn die anderen schuften. Miterleben, wie die Tochter nach der Schule heimkommt, wie sie groß wird. Zumindest einmal in der Woche beim Mittagessen zuhören können. Einkaufen und Hausfrauen treffen. Gemütlich kochen, während die Kollegen kurz zum Essen hasten. Montage sind seit fast zehn Jahren meine Frei-Tage. Weniger Geld, mehr Freiraum, das war die Idee. Mehr Zeit haben statt immer mehr Zeug.

Ein bisschen Planung ist nötig

Ja, ja, ich höre sie schon wieder, die Kritiker. „Ein Luxusproblem. Das kann sich doch kaum jemand leisten.“ Wirklich nicht? Manch ein Geringverdiener vermutlich nicht. Aber alle anderen eben doch. Ein bisschen Planung ist freilich nötig. Ein übergroßes Haus auf Kredit gekauft? Das macht so ein Vorhaben schwierig.

Panda statt Panamera – mit diesen Worten könnte man das Lebensmotto beschreiben. Mehrmals im Jahr einen teuren Urlaub im Süden? Lieber eine lange Radtour oder Bergwanderung. Bodensee statt Bahamas. Schwäbischer Wald statt Shanghai. Biken ist eh gesünder als fliegen. Teure Klamotten kaufen, jeden Abend edel Essen gehen, immer die neuesten Gerätschaften haben müssen – das sollten dem Vier-Tage-Angestellten nicht die höchsten aller Lebensziele sein. Wenn’s trotzdem klappt mit dem Konsumieren, auch gut.

Was will ich wirklich?

Mehr Zeit haben als andere, das ist vielen Menschen verdächtig. Speziell im Ländle der Schaffer und Häuslebauer. Der Psychologe Volker Kitz hat kürzlich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ gesagt, die Menschen hätten vergessen, wozu sie wirklich Lust haben. Immer nur arbeiten? Das kann’s doch nicht sein. Den meisten Leuten käme auch nach einiger Bedenkzeit allenfalls eins in den Sinn: Sex. Eher kein Tage füllendes Programm. Viele Menschen klagten über ihren Job, änderten aber nichts, sagt Kitz. Wer traut sich schon beim Blick in den Spiegel zu fragen: Wie kann ich mehr aus meinem Leben machen? Wie raus kommen aus dem Trott? Was will ich wirklich?

Vier statt fünf Tage arbeiten, das hört sich nicht nach dem ganz großen Wurf an. Der Schritt in Richtung Teilzeit kann aber manches in Bewegung bringen, vorausgesetzt die Rate für das gekaufte Häusle ist nicht zu hoch. Auch wenn die Arbeit vorher Spaß gemacht hat, ich kann fest versprechen: Der Spaß wird mehr. Und falls die Arbeit keine Freunde bereitet haben sollte: Der Ärger wird ganz bestimmt nicht größer, er wird kleiner, um mindestens ein Fünftel.

„Zufriedene Mitarbeiter sind kreativer“

Wer weniger arbeitet, hat mehr Freiraum, wird gelassener und vielleicht ein bisschen souveräner. Nur wer Freiräume hat, ist auch zufrieden. Der Bosch-Personalchef Christoph Kübel hat vor ein paar Tagen im StZ-Interview erklärt: „Zufriedene Mitarbeiter sind kreativer.“ Weil ich einen Tag pro Woche weniger in die Redaktion komme, habe ich doch nicht weniger Ideen. Im Gegenteil: eher mehr. Ich habe montags viel Zeit – zum Lesen, um mit meiner Tochter zu plaudern, die älter werdenden Eltern öfter zu besuchen, mich bei meinem Schwimmverein mehr zu engagieren. Wer die Arbeitszeit reduziert, erkennt, dass er nicht nur für den Job brennt. Das ist auch für den Job nicht so schlecht.

Ich habe mehr Zeit um meine Ideen auszubrüten, ja, auch Ideen für die nächste größere Reportage oder eine neue Serie. „Schön blöd bist Du“, sagen manche Kumpels. Arbeitest weniger, verdienst weniger Geld und denkst trotzdem fast jeden Montag nach über neue Geschichten für deine Zeitung. Die Antwort ist einfach: es macht halt Spaß. Auch ein paar Passagen dieses Texts sind an einem meiner Frei-Tage entstanden. In immer mehr Führungsetagen der Unternehmen hat sich längst herumgesprochen: Jeden Tag acht oder mehr Stunden konzentriert am Stück arbeiten: das geht auf Dauer gar nicht.

Eine Führungsposition kann ich mir abschminken

Nachteile? Klar hat die Vier-Tage-Woche auch Nachteile. Der erste: weniger Kohle. Der Chef hat damals etwas mürrisch ausrichten lassen, mir müsse aber klar sein: „Einmal Teilzeit, immer Teilzeit.“ Und damit vermutlich sagen wollen: Eine Führungsposition kann ich mir abschminken. Er ist längst nicht mehr im Amt. Und ich will eh nicht mehr Fulltime arbeiten.

Wir sollten lernen, wann genug ist. Genug konsumiert, genug gekauft, genug gesessen und genug gearbeitet. Für alle, die es sich zurzeit finanziell nicht leisten können, auf ein Fünftel ihres Bruttogehalts zu verzichten, ein kleiner Tipp: Arbeitet nur noch halbtags – halt zweimal täglich. Früh anfangen, dann eine längere Pause einlegen, mit Schwimmen, Laufen, Spazieren gehen, Yoga oder was auch immer. Und dann die zweite Halbtagsschicht. Wirkt Wunder, ganz bestimmt. Und vielleicht ist das Häusle ja in ein paar Jahren abbezahlt. Dann kann man immer noch vier statt fünf wählen. Weniger ist nämlich mehr.