Wieder gehen Zehntausende Franzosen auf die Straße, obwohl die Details der Rentenreform der Regierung noch gar nicht bekannt sind. Am Mittwoch werden die Umbaupläne präsentiert – dann könnten die Streiks weiter Fahrt aufnehmen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Philippe Martinez ist nicht zufrieden. „Es sind weniger Leute auf der Straße“, sagt der Generalsekretär der CGT, einer der größten Gewerkschaften in Frankreich. Im ganzen Land waren die Franzosen wieder dazu aufgerufen, gegen die geplante Rentenreform der Regierung zu demonstrieren. In Paris haben sich bei einer zentralen Kundgebung mehrere zehntausend Menschen versammelt. Immer wieder zu hören: Schlachtrufe, dass Präsident Emmanuel Macron zurücktreten soll. Der Staatschef war mit dem Versprechen in sein Amt gestartet, das Rentensystem moderner und vor allem gerechter zu machen. Die Regierung will die Privilegien für bestimmte Berufsgruppen auf längere Sicht beenden und ein einheitliches System schaffen, das für alle gilt. Denn momentan gibt es insgesamt 42 Renten-Einzelsysteme in Frankreich – davon bringen einige zahlreiche Privilegien mit sich.

 

Die Gewerkschaften zeigen sich kampfbereit

Die Gewerkschaften aber zeigen sich kampfbereit. CGT-Chef Philippe Martinez fordert, dass die Reform gestoppt wird. Auch Yves Veyrier, Generalsekretär des Gewerkschaftsbunds Force ouvrière, sagt: „Wir haben keinen Grund, ein System aufzugeben, das funktioniert.“ Deutlich wird, dass sich die französischen Gewerkschaften in ihrer Abwehrschlacht gegen den geplanten Umbau inzwischen auch gegenseitig immer weiter anstacheln – jede Organisation möchte für ihre Anhänger mehr Privilegien sichern als die andere. Yves Veyrier erklärte am Dienstag, dass auch er das Rentensystem verbessern wolle – bei ihm heißt das allerdings, dass seine Mitglieder in Zukunft noch bessere Konditionen bekommen.

Einwohner von Paris zunehmend genervt

Die Gewerkschaften erwähnen immer wieder, dass die Mehrheit der Franzosen ihren Kampf gegen die Reform unterstützen würden, doch vor allem in Paris werden die geplagten Bewohner der Millionenmetropole inzwischen etwas ungehalten. Seit sechs Tagen streiken die Nahverkehrsbetriebe, was vor allem im Berufsverkehr für Chaos sorgt. Am Montag ging vor allem am Morgen auf den großen Stadtautobahnen über mehrere Stunden nichts mehr und es wurden über 600 Kilometer Stau gemeldet.

Auch die Klagen der Hoteliers in der Stadt werden immer lauter. „Seit vergangenem Donnerstag sind die Hotelbuchungen um 30 Prozent gesunken, in den Restaurants liegt der Rückgang bei 40 bis 50 Prozent“, sagt Franck Delvau vom Pariser Verband der Hotelindustrie. Vor allem die Touristen aus Europa und Frankreich würden stornieren. Ein Grund ist auch, dass im ganzen Land der Zugverkehr bestreikt wird und die TGV-Schnellzüge seit Tagen nur noch vereinzelt fahren. Franck Delvau: „Warum nach Paris kommen, wenn es keinen Nahverkehr und keine Sicherheit bei den Museen gibt, bei Denkmälern wie dem Eiffelturm, der am vergangenen Donnerstag geschlossen hatte?“

Die Regierung stellt ihre Reformpläne vor

Die Gewerkschaften wissen im Grund noch nicht einmal, wogegen sie genau streiken, denn die Regierung wird die Reformpläne er am Mittwoch öffentlich vorstellen. Premierminister Edouard Philippe geht allerdings nichts davon aus, dass danach die Streiks ein Ende haben werden. „Nur weil ich eine Rede halte, bedeutet das nicht, dass die Demonstrationen aufhören werden. Diese Rede wird sogar neue Fragen aufwerfen. Und das ist normal“, erklärte der Regierungschef. Erwartet wird, dass die Regierung in einigen Bereichen nachgeben wird, an der Reform aber grundsätzlich festhält.