Schläge und Drohungen gehörten zum normalen Geschäftsgebaren der Zuhälter, die ihre Prostituierten im FKK-Club „Paradise“ zum Arbeiten schickten. Zehn Freier pro Nacht waren Pflicht. Der Verdienst für die Männer konnte sich sehen lassen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Eine Schicht im „Paradise“ kann sehr lang sein. Von elf Uhr morgens bis drei oder vier Uhr in der Nacht sollen die Freier schließlich eine ausreichende Auswahl an Frauen vorfinden. So die Geschäftsidee des ehemaligen Betreibers Jürgen Rudloff. „Es kann schon sein, dass ich gesagt habe, dass ich möchte, dass meine Frauen morgens die Ersten sind, die den Laden betreten und in der Nacht als letzte gehen“, sagt Ilias C. (40), der sich den Schriftzug „Hardcore“ in den Nacken hat tätowieren lassen. Seit 2011 sitzt er in Haft – unter anderem wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution.

 

Seine drei Frauen hat er ins „Paradise“ zum Arbeiten geschickt. Er ist nicht eben zimperlich mit ihnen umgegangen. Alle haben ihren Verdienst bei ihm abgegeben. Zwischen 10 000 und 20 000 Euro sind so zusammengekommen im Monat. „Ich habe ihnen, wenn sie Geld brauchten, etwas zugeteilt“. „Für was?“ fragt die Richterin. „Für Kleidung,“ sagt der Zeuge. „Im FKK-Club?“ ist die Frage, mit der die Richterin ihn rüde wieder auf den Boden der Tatsachen holt. Auch hält sie ihm die Wohnverhältnisse vor, als er sagt, die Frauen hätten jederzeit gehen können. „Um das Gelände war ein 1,50 Meter hoher Zaun, es gab Videoüberwachung und einen Kampfhund“, sagt sie.

Mit diesen Befragungen geht der Prozess gegen den Betreiber des FKK-Clubs „Paradise“ Jürgen Rudloff und drei weitere Angeklagte wegen Beihilfe zu Zwangsprostitution, Menschenhandels und Betrugs in seine nächste Runde. Nachdem das Gericht in den letzten Monaten die vermeintlichen Betrugsopfer und Investoren vernommen hat, geht es nun wieder ums Rotlicht.

Konkret: die beteiligten Zuhälter und den entscheidenden Punkt der Anklage, ob die Angeklagten von deren gewalttätigem Tun wussten. Den ersten Zeugen, der die Unwahrheit sagte, hat der Staatsanwalt Peter Holzwarth gleich aus dem Gerichtssaal heraus wegen Falschaussage verhaften lassen und Haft beantragt. Ein deutliches Signal an die noch geladenen Zeugen aus der Szene der Rocker. Der zweite Zeuge ist gar nicht erschienen. Er wird demnächst vorgeführt werden. Zeuge Nummer drei hat bereits am Dienstag ausgesagt. Er berichtet von Umgangsformen gegenüber Frauen, die mit rüde noch milde beschrieben wären. Ibrahim I. (43) erzählt mit einer Beiläufigkeit, die weder Bedauern noch Distanzierung erkennen lassen.

Durchtrainiert ist er, an beiden Armen schauen Tätowierungen unter den Ärmeln des Sweatshirts hervor. „Sie waren ja doppelt so groß, und sechsmal stärker als die Frauen“, sagt der Vorsitzende Richter. Warum er den Frauen seinen Namen auftätowieren ließ? Weil sie seine Frauen gewesen seinen. „Ich habe allen meine Frauen die Brüste vergrößern lassen“, erklärt er seine Geschäftsauffassung.

Wie bringt man Frauen zu all dem? „Ich habe es auf der Liebesschiene gemacht“, sagt er – und gibt so etwas wie einen Schnellkurs in Anmache. Vertrauen schaffen, umschmeicheln, miteinander schlafen und dann als Prostituierte zum Geldverdienen losschicken. Haupt- und Nebenfrau arbeiteten um die Wette und um seine Gunst. Tageslimit für die Frauen: 500 Euro. 50 Euro bringt ein Freier in der Regel. „Wenn sie es nicht erreicht haben, gab’s Ärger. Dann hab ich sie geschlagen.“ Auf den Kopf und nicht auf den Körper, damit niemand die blauen Flecken gesehen hat.

Anders als Ilias C. bezeichnet Ibrahim I. sich als Freund Jürgen Rudloffs, mit dem er sich regelmäßig zum Frühstück und zum Plaudern über die Weltlage verabredet habe. Ibrahim I., der mehrmals zwischen der Mitgliedschaft bei den Hells Angels und den United Tribunes wechselte, bestätigt auch, dass Almir Culum, der Weltpräsident der United Tribunes und sein Bruder Nermin im „Paradise“ ein- und ausgingen.