Die erste Staffel von „You are wanted“ war ein Riesen-Streaming-Hit für Amazon. Darum darf Matthias Schweighöfer als Lukas Franke jetzt wieder ran: als von Geheimdiensten gehetzter Biedermann, der zum Einzelkämpfer mutiert.

Stuttgart - Halt, Stopp, dürfen wir einen Moment Luft holen, bitte? War nicht am Ende der ersten Staffel von „You are wanted“ wieder Frieden und Normalität ins Leben des gepeinigten Hotelmanagers Lukas Franke eingekehrt? War nicht der Hacker, der ihn und seine Familie tyrannisiert, bedroht, in ein irrsinniges Komplott hineingezogen hatte, für immer vom Netz genommen? Doch, Franke, gespielt von Matthias Schweighöfer, war da selig wieder mit Frau und Kind vereint. Warum bekommt er dann jetzt keine Luft mehr? Warum wird er zum Auftakt der nun bei Amazon verfügbaren zweiten Staffel von zwei fies blickenden Frauen einem herben Waterboarding unterzogen?

 

Etwas zynisch könnte man sagen, der Erfolg sei der Feind des Glücks von Lukas Franke. Die deutsche Produktion „You are wanted“ hat auf dem deutschen Markt alle anderen, auch die internationalen Angebote von Amazon Prime Video im Jahr 2017 überflügelt, es wurde die meistgestreamte Serie im wuchtigen Angebot des Netflix-Konkurrenten. Also wird wahr, was die Produzenten – Schweighöfer ist einer von ihnen – und die Fans hofften: Franke wird weiter bis aufs Blut gequält.

Sachte Selbstkritik

Die Macher des auch international sehr gut verkauften Serienhits sind zwar stolz auf das Geleistete. Aber von der sicheren Höhe des Publikumserfolgs herab können sie auch ein wenig Selbstkritik üben. „Wir haben viel dazugelernt bei der ersten Staffel“, hat Dan Maag von der Produktionsfirma Pantaleon („Vaterfreuden“, „Der Nanny“) in einem Interview bekannt. „Wir haben erst beim Machen richtig gemerkt, was es bedeutet, eine Geschichte über sechs Folgen zu erzählen. Die erste Staffel gehorchte noch mehr einer klassischen Kinodramaturgie. Bei der zweiten Staffel setzen wir im Grunde ab der ersten Sekunde auf Spannung und halten sie dann auch durchgängig. Wir haben uns die vielen Feedbacks der Zuschauer durchaus zu Herzen genommen.“

Der Presse hat man vorab trotzdem nur die erste Folge der zweiten Staffel gezeigt. Was in Sachen Spannungsbogen, Figurenentwicklung, Themenvertiefung wirklich anders geworden ist, können wir also noch nicht einschätzen. Auffällig an der ersten Folge ist aber, dass sie eher noch stärker aufs Kino schielt als die erste Staffel. Wie Lukas Franke da zum Auftakt an einem düsteren Ort in die Mangel genommen wird, das erinnert an die Auftaktszenen von James-Bond-Filmen – die 007 ja gerne mal in der Klemme zeigen.

Zeit für Rambo

Wer Matthias Schweighöfer, der vor „You are wanted“ auf bubi-linkische Herzensbrecherei im deutschen Romantic-Comedy-Kino festgenagelt war, den Wandel zum Thriller-Helden schon in der ersten Staffel nicht abnahm, der wird die Auftakt-Folge der zweiten Staffel wohl auch mit Anti-Allergie-Mittelchen nicht überstehen.

Frankes Wandel vom Schmerzensmann, dem Schlimmes angetan wird und der darauf mit verquält-verdattertem Gesichtsausdruck reagiert, zum Do-it-yourself-Rambo, der sich seiner Haut auch gegen Profis zu wehren weiß, geht nämlich zügig weiter. In der ersten Stunde der zweiten Staffel wird er von drei bewaffneten Polizisten festgesetzt, die er dann auskontert wie ein Elite-Einzelkämpfer. In „You are wanted“ steigert sich der bürgerliche Kleinfamilienvater aus einer Weißer-Kragen-Jobwelt, der sonst schon am Zusammenbau von Ikea-Möbeln scheitert, im Nu zur hochadaptiven Überlebensbestie auf einem Dauerschlachtfeld.

Tiefer hinein ins Cyberwald-Märchen

Die böse Gewalt, die in Frankes Leben rücksichtslos hineingreift, ist um einiges größer als in der ersten Staffel. Bislang hatte es der beinahe Unbescholtene mit einer Gruselfigur aus dem modernen Cyberwald-Märchen zu tun, mit dem finsterste Pläne hegenden Individuum, das magische Macht über die digitale Infrastruktur ausübt: Jede Kamera irgendwo in der Stadt wurde zum lauernden Auge, Frankes eigenes Telefon zum Dauerverräter, keine Datenbank war vor Ausforschung und Manipulation sicher. Der Hacker wird in solchen Geschichten zum modernen Gegenstück des bösen Zauberers oder der missgünstigen Hexe.

Nun aber bekommt es Franke ernstlich mit einer ganz anderen Struktur zu tun, mit den vernetzten Geheimdienstapparaten. In die zweite Staffel von „You are wanted“ fließen also die Fragen, Ängste, Ohnmachtsgefühle ein, die uns seit den Insider-Enthüllungen von Edward Snowden über die alltäglichen Praktiken, die technischen Möglichkeiten und die routinierte Zügellosigkeit der NSA erfasst haben. Dass daraus mehr wird als eine flotte Hetzjagd, darauf möchte man nach der ersten Folge noch nicht wetten.

Verfügbarkeit: ab 18. Mai 2018 bei Amazon Prime