Ob der designierte Ministerpräsident bald auf der Solitude residieren wird, ist noch ungewiss. Nicht alle nutzen die Dienstvilla.

Stuttgart - Politiker kommen und gehen und Landesregierungen wechseln, das Idyll auf der Solitude aber bleibt. Vor der offiziellen Dienstvilla des Landes für seinen obersten Regenten am Fuße des Schlosses grasen wie immer Pferde auf sattem Grün und Touristen wie Gastronomiebesucher genießen Landschaft und Aussicht. Wie sehr dem grünen Wahlsieger Winfried Kretschmann die Solitude vertraut ist, ist nicht bekannt. Dass er bald einen herrschaftlichen Blick auf die Dienstvilla als möglichen künftigen Wohnsitz werfen dürfte, gilt aber als ausgemacht.

 

Schließlich hat seine Frau Gerlinde Kretschmann bereits laut darüber nachgedacht, dass sie einen Umzug dorthin für vernünftig hielte, allein schon wegen der rund zwei Stunden Fahrt ins bisherige Heim in Laiz bei Sigmaringen. Einsamkeit (was Solitude auf Französisch heißt) in der Stadt oder Abgeschiedenheit in der Provinz - das ist die Frage, die sich Kretschmann spätestens nach seiner Wahl am 12. Mai stellen wird.

"Man könnte einen Einzug natürlich ermöglichen"

"Da ist noch keine Entscheidung gefallen, bisher hat er die Villa noch nicht mal angeguckt", sagt Arne Braun von der Grünen-Fraktion im Landtag. Erst jetzt, nach den Koalitionsgesprächen, würden irgendwann auch Themen wie Wohnung und Dienstwagen aufgerufen. Beim Landesbetrieb Vermögen und Bau, der die Dienstvilla auf der Solitude verwaltet, ist man für eine Anfrage gewappnet. "Für uns ist das bisher noch kein Thema, aber man könnte einen Einzug natürlich ermöglichen, wenn vom künftigen Ministerpräsidenten der Wunsch geäußert würde", so die Leiterin Ilse Lange- Tiedje gegenüber der Stuttgarter Zeitung.

Denn derzeit wird das Anwesen mit seinen 450 Quadratmetern Wohnfläche und 15 Zimmern noch vom ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger bewohnt. Er hat die Adresse Solitude 26 auch nach seinem Wechsel als EU-Kommissar nach Brüssel beibehalten, nachdem sein Nachfolger Stefan Mappus sich dafür entschieden hatte, auch als Ministerpräsident der Kinder wegen lieber in seinem Privathaus in Pforzheim zu bleiben.

Noch wohnt Oettinger in der Villa

Günther Oettinger dagegen war seinerzeit mit seiner Familie vom Frauenkopf auf die Solitude gezogen und residiert seit 2005 in dem zwischen Graevenitz-Museum und Pferdekoppel gelegenen, von einem Zaun nebst Polizeiposten geschützten Anwesen. Seinerzeit war von einer Kaltmiete von 3000 Euro die Rede und einem Sonderkündigungsrecht des Landes im Mietvertrag. Dass das Land davon Gebrauch machen muss, ist aber nicht zu erwarten. Denn Oettinger will eh ausziehen, nachdem er bei der Haussuche in Brüssel fündig geworden ist. "Herr Oettinger hat zu Ende August gekündigt", bestätigt seine Sprecherin Marlene Holzner. Bei Bedarf könne er auch schon vorher ausziehen.

Vor dem Einzug Oettingers hatte die 1968/69 für 400000 Mark (rund 200000 Euro) erbaute Villa trotz Vermietungsversuchen lange leer gestanden, denn Ministerpräsident Erwin Teufel hatte seinen Wohnsitz in Spaichingen beibehalten und mit einem Zimmer im Marienhospital als Zweitwohnsitz vorlieb genommen. Kurios: ein solches Zimmer hatte einst auch Ministerpräsident Hans Filbinger bewohnt, doch die Pendelei zwischen Stuttgart und seinem Erstwohnsitz in Freiburg galt irgendwann als unzumutbar. Just deshalb richtete man ihm zunächst eine Wohnung im ehemaligen Grävenitzhaus her und baute dann dem ersten Mann im Staate eine stattliche und standesgemäße Heimstatt, eben jene Dienstvilla. "Der Wohnsitz des Ministerpräsidenten wird auf die Familienverhältnisse Filbingers ausgerichtet, das heißt, auf ein Ehepaar mit fünf Kindern", schrieb seinerzeit die StZ.

Hans Filbinger blieb noch einige Jahre länger dort wohnen

Hans Filbinger schätzte das einsam gelegene Anwesen. Er blieb dort deshalb gerne auch noch einige Jahre nach seinem Rücktritt wohnen, musste nach öffentlichen Protesten aber eine Mieterhöhung von 2400 auf 4300 Mark (rund 1200 beziehungsweise 2150 Euro) schlucken.

Sein Nachfolger Lothar Späth zog erst 1984, sechs Jahre nach der Amtsübernahme, von seinem Reihenhaus auf die Solitude. Er ließ die Villa renovieren und einen Wintergarten anbauen. Späth hatte ein ambivalentes Verhältnis zu dem Herrschaftssitz, dessen Einsamkeit nicht vor neugierigen Untertanen am Zaun schützte. Wie sagte er doch einmal: "Der Ort ist zauberhaft, aber wir haben nicht geweint, als wir 1992 ins eigene Haus umgezogen sind."