Berlin geht gegen unzulässige Abgastechnik vor. Grüne loben CSU-Mann Scheuer dafür.

Berlin - Der Dieselskandal hat in Stuttgart eine neue Dimension bekommen: Nach einem Gespräch mit Daimler-Chef Dieter Zetsche, in dem dieser neue Zahlen vorlegte, ordnete Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montagabend einen amtlichen Rückruf von deutschlandweit 238 000 Fahrzeugen an. In Europa sind nach Angaben der Bundesregierung insgesamt 774000 Autos mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet, mit denen Motorengase nur im Testbetrieb, nicht aber auf der Straße voll gereinigt werden. Man habe „intensiv und stundenlang verhandelt“, erklärte Scheuer, der sich „froh“ über das Ergebnis zeigte. Er hatte Daimler vor zwei Wochen Strafen in Höhe von 5000 Euro pro betroffenem Auto angedroht, wenn der Konzern nicht kooperiere.

 

Zu der Vereinbarung, mit denen solche Sanktionen vorerst vom Tisch sind, gehört nicht nur die rasche Umsetzung der Rückrufaktion selbst. Tempo machen soll der Konzern auch bei den stockenden Softwareupdates, die der Autobauer beim Dieselgipfel vergangenes Jahr auf freiwilliger Basis bis Ende 2018 zugesagt hatte. Scheuer zufolge will Daimler nun „mit maximalem Abarbeitungstempo und in kooperativer Transparenz mit den Behörden“ vorgehen.

Als „konstruktives Gespräch“ bezeichnete Zetsche das Treffen, mit dem aus seiner Sicht die politische Auseinandersetzung beendet ist: „Das Thema ist damit jetzt behandelt.“ Allerdings will sein Unternehmen weiterhin gegen die Behördensicht klagen, dass es sich um unzulässige Vorrichtungen in den Autos handelt.

Betriebsrat kritisiert Salamitaktik

Der Betriebsratschef des Mercedes-Motorenwerks in Untertürkheim, Wolfgang Nieke,
fürchtet angesichts der Entwicklung, dass die Glaubwürdigkeit des Daimler-Vorstands leidet. Zetsche habe den Mitarbeitern zu Beginn der Dieselaffäre gesagt, bei Daimler werde nicht betrogen. Seitdem hätten die Behörden immer mehr Motoren ins Visier genommen. „Wir erleben in allen Werken derzeit deutlich, dass mit jeder neuen Nachricht das Vertrauen abnimmt.“ Der Umgang mit Fehlern habe Politik, Verbraucher und andere Unternehmen „zu Recht ärgerlich gemacht“, sagte unterdessen BDI-Präsident Dieter Kempf.

Verhaltenes Lob für sein Vorgehen erhielt Scheuer, der in der Abgasaffäre mehr Druck macht als Vorgänger Alexander Dobrindt ( CSU), sogar von den Grünen. „Die Maßnahmen von Bundesminister Scheuer sagen viel aus darüber, wie das Haus bislang von seinem Vorgänger Dobrindt geführt wurde“, sagte Cem Özdemir, der im Bundestag den Verkehrsausschuss leitet: „Jetzt sollte Andreas Scheuer allerdings nicht auf halber Strecke stehen bleiben, sondern auch die Themen Hardware-Nachrüstung, blaue Plakette und ambitionierte Flottengrenzwerte in Brüssel angehen.“ Die SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann sieht angesichts der neuen Zahlen „nun wirklich den Zeitpunkt gekommen, um ernsthaft Hardwarenachrüstungen anzugehen“.